Alle meine Schaefchen
Futter gefressen, das man für Ratten ausgelegt hatte.«
»Das arme Tier«, murmelte der alte Mann und sprach mehr zu sich selbst als mit uns. Dann zeigte er auf ein rundes Loch, das hoch oben in der Wand zu sehen war. »Sehen Sie das? Das ist für die Eulen. Früher hat man für die Vögel einen Ein- und Ausgang in den Mauern gelassen. Dafür haben sie dann die Ratten und Mäuse in Schach gehalten. Heutzutage macht man’s mit Gift. Die Ratten fressen es, die Eulen holen sich die Ratten, und beide sterben. Als ich Kind war, konnte man sechs bis zwölf Eulen an einem Platz wie diesem zählen. Und wie viele gibt’s davon heute?«
»Sehr wenige«, sagte ich
»Sie haben das Land vergiftet und alles, was darauf wächst und lebt, ebenfalls. Vielleicht ist es ganz gut, daß ich hier nicht mehr allzu lange aushalten werde.«
Die siebzehnjährige Tochter kam zu uns. »Onkel Lewis, Ruth sagt, daß du jetzt wieder ins Haus kommen möchtest. Ihr seid lange genug draußen gewesen, und wir möchten jetzt Tee trinken.«
»Eine Frau ist genauso schlimm wie die andere«, sagte er mürrisch, aber das junge Mädchen lachte und nahm seinen Arm.
Sein Protest war nicht ernst gemeint. Gegen Schluß der Party saß der große alte Mann mit einem Papphütchen auf den schütteren Haaren dabei und ließ einen Knirps auf seinen Knien reiten. Man sah ihm an, welchen Spaß er daran hatte. Es war ein sehr gelungener Tag gewesen.
Ein paar Wochen später traf ich Teddy bei einer Auktion.
»Wie geht’s Lewis?« fragte ich ihn.
»Ich glaub’, er spürt ein wenig sein Alter.«
»Träumt er immer noch von den Pferden von damals?«
Er lächelte. »Wenn er es könnte, würde Lewis Traktoren als ungesetzlich erklären lassen. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Im letzten Sommer hab’ ich ihn mit zu einem Wettbewerb im Pflügen in Abergavenny genommen. Es gab auch eine Sektion für Pferdepflüge. Und ein großes schwarzes Shire-Pferd spielte ein bißchen verrückt. Der Bursche, der es hielt, warnte mehrmals: >Sei’n Sie vorsichtig. Es wird nervös bei so vielen Menschen und reagiert dann unangenehme Aber Lewis antwortete — Sie haben ja selbst gesehen, wie groß er ist—: >Lassen Sie mich mit ihm reden.< Und er sprach leise dem Pferd ins Ohr, wobei ihm ‘ne Menge Leute zuschauten. Und wissen Sie was? Das verflixte Pferd wurde ruhig, senkte den Kopf und gab dem alten Mann gutmütige Nasenstüber. Der Bursche, der es zu halten hatte, vermochte seinen Augen kaum zu trauen. Und was glauben Sie, was dann passierte?«
»Erzählen Sie weiter.«
»Unser Lewis fing an zu weinen. Da stand er nun, ein Mann von über achtzig Jahren, der den Kopf des Pferdes hielt und dem die Tränen über die Wangen liefen.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Was ich gemacht habe?« wiederholte Teddy und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, wobei er recht verlegen aussah. »Was hätte ich tun sollen? Ehrlich gesagt waren der Bursche mit dem Pferd und ich und noch einige der Zuschauer den Tränen genauso nahe schon allein vom Hinsehen. Können Sie sich das vorstellen?«
Das war für mich nicht sehr schwierig.
15.
Ein hoher Preis für das Kalb William
A n einem kalten Aprilmorgen stieß ich auf zwei verwaiste Lämmer, als ich zum Frühstücken in die Küche im Anschluß ans Melken kam. Es waren zwei von den fünfen, die Shirley mit der Flasche großzog; sie hatten sich ins Haus geschlichen, um nach ihrer >Ersatzmutter< zu suchen. Es war ganz offensichtlich, daß sie mich nicht im gleichen Licht sahen. Sie beobachteten mich nervös und ängstlich und wären sofort ins Wohnzimmer gerannt, wenn ich eine falsche Bewegung gemacht hätte. Der Gedanke, die beiden vielleicht durchs ganze Haus jagen zu müssen, machte mich äußerst vorsichtig.
Ganz langsam versuchte ich mich an ihnen vorbeizuschleichen, um sie vom Hausinneren abzuschneiden. Glücklicherweise tauchte Shirley in diesem Augenblick auf und jagte sie hinaus in den Garten.
Sie wußte ganz genau, was passiert war, tat aber so, als würde sie sich beschweren: »Was für eine Idee, die Lämmer mit ins Haus zu schleppen! Ich fürchte, daß du das nächste Mal sogar deine kostbaren Kühe hereinholst!«
»Mit mir sind die beiden nicht hereingekommen«, beruhigte ich sie. »Ich nahm eher an, daß sie deine Freunde sind.«
John kam herein und fing an, sich die Hände im Küchenausguß zu waschen. »Falls ihr noch ein Schlafzimmer für Whitey frei habt, könnte das vielleicht ganz nützlich
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