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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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Jonathon eines Tages, als wir uns über den Zaun hinweg unterhielten, der unsere beiden Weiden voneinander trennte. »Man kann Schweine sehr liebgewinnen, die sind intelligenter als Hunde, weißt du, und wie wäre dir zumute, wenn du deinen Schäferhund essen müßtest?«
    »Die Chinesen essen Hunde«, warf ich ein.
    Er biß sich auf die Unterlippe und schüttelte mißbilligend den Kopf. »Wirklich? Kein Wunder, daß die so merkwürdige Augen haben.«
    Glücklicherweise läuft die Sache heutzutage viel unpersönlicher ab, wenn man ein Schwein geschlachtet haben will. Man braucht jetzt lediglich das Tier am hinteren Eingang des Schlachthofs abzuliefern und holt dann am Ende der Woche zwei Kartons voll mit sauber geschlachtetem und verpacktem Schweinefleisch wieder ab. Es fiel mir nicht schwer, mir einzureden, daß zwischen den beiden Handlungsabläufen eigentlich überhaupt keine Verbindung bestand.
    Auf jeden Fall war dieser Tag nicht dazu geeignet, trübe Gedanken zu hegen. Bäume und Hecken standen in jungem Grün, in den Knicks leuchteten hell Huflattich, Hahnenfuß und später Löwenzahn, und die Luft war so herrlich erfrischend wie Jonathons selbstgemachter Apfelwein. Old Lil, unser betagter Diesel-Laster hastete fröhlich voran und machte dabei Schlenkerbewegungen wie ein altes Go-go-Girl. Zufrieden lehnte ich mich in meinem Sitz zurück und genoß die Show.
    Wir fuhren an dem Wegweiser für Stoke St. Milborough, einem kleinen Dorf, das um eine heilige Quelle herum gebaut worden war, vorbei. Man erzählt sich, alles habe damit begonnen, daß eine sächsische Prinzessin ihre Beine in die Hand genommen hatte, um einem zu aufdringlichen Verfolger zu entkommen. Gerade als sie seinen heißen Atem im Nacken spürte, schoß eine Quelle hinter ihr aus dem Boden und brachte sie in Sicherheit auf der einen Seite, während der verhinderte Liebhaber frustriert auf der anderen Seite bleiben mußte. Das Mädchen gründete dort ein Kloster, und früher kamen Pilger dorthin, um durch das St.-Milburgha-Brunnenwasser geheilt zu werden.
    »Wahrscheinlich hat es sich um eine geborstene Dränage auf einer Weide gehandelt«, sagte Jonathon, als ich ihn eines Abends in der >Schmiede< wegen dieses >Wunders< befragte. »Dabei kann es vorkommen, daß Wasser ganz plötzlich aus dem Boden schießt, als hätte man einen Hahn aufgedreht.«
    Die anderen Männer in der Runde nickten zustimmend.
    Das war vielleicht die Erklärung eines praktischen Menschen vom Lande; was auch immer die Wahrheit sein mochte — der Brunnen ist dort, das Dorf steht und auch die Kirche, und all das wegen eines kleinen Geplänkels, das vor etwa zwölfhundert Jahren passierte.
    Fünfzehn Minuten später kam ich auf dem Schlachthof in Ludlow an und übergab dem Vorarbeiter, der einen weißen Kittel trug, das Schwein.
    »Wie möchten Sie’s gern gemacht haben?«
    »Wie immer: aufgeteilt und zergliedert.«
    Er nickte: »Drei Tage?«
    »Kann ich’s Freitag morgen abholen?«
    »Es wird bereitliegen«, erwiderte er und ging zu einem anderen Arbeiter, der das Schwein mitnahm.
    Meine nächste Aufgabe bestand darin, die Dinge zu erledigen, die Shirley auf einem Zettel aufgeschrieben hatte. Sie hatte ihn mir in die Brusttasche meiner Jacke gesteckt, >weil du immer alles vergißt, wenn man’s dir nicht schwarz auf weiß mitgibt<.
    Ludlow gehört zu jenen historischen kleinen Städten, die viel von dem erzählen könnten, was mit >Es war einmal...< beginnt. Innerhalb der Stadtmauern war Geschichte gemacht worden. Das Klirren und Gerassel mit Rüstungen und Schwertern bewaffneter Krieger waren in den schmalen Straßen ein alltägliches Geräusch gewesen. Einstmals hatte die jetzt zerfallende Burg mit ihren vielen Türmen die Landesherren von Wales und seinen Grenzländern beherbergt. Die beiden Prinzen weinten damals, als sie dort weggeholt und in den Tower von London gesperrt wurden. Und auf den Spazierwegen außen an der Stadtmauer, wo heute sich die Touristen beäugen und kichern, hatte früher Heinrich VIII. für seine Braut, Catharina von Aragon, Blumenbeete anlegen lassen.
    Aber all das liegt ein halbes Jahrtausend zurück, und Dohlen krächzen in den Burgruinen und fliegen durch die leeren Fensterhöhlen. Verträumt liegt die kleine Stadt da, wie eine alternde Schönheit, die an die Zeiten zurückdenkt, als sie jung und umschwärmt gewesen war, und die in Gedanken noch einmal jene Jahre heraufbeschwört, die niemals wiederkommen werden.
    Heute war offensichtlich der

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