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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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eine Stunde früher als sonst gemolken und die anderen vierbeinigen Schützlinge gefüttert hatten, machten wir uns auf den Weg, um uns einen geselligen Abend bei den Roberts zu gönnen. Shirley sah sehr elegant in ihrem Faltenrock mit der hübschen Bluse aus. Mich hatte sie dazu verdonnert, einen richtigen Stadtanzug anzuziehen, der nach Mottenpulver roch und außerdem noch kratzte.
    »Der ist überhaupt nicht bequem«, beklagte ich mich. »Muß ich den tatsächlich anziehen?«
    »Es wird zu deinem Vorteil seih, wenn du anständig angezogen bist«, erwiderte Shirley streng. »Außerdem kann es gut sein, daß Miss Elsie Hamilton auch kommt.«
    »Wer?«
    »Miss Hamilton, die so aktiv in der Gemeindearbeit unserer Kirche mithilft.«
    Jetzt konnte ich mir ein Bild von ihr machen. Sie war eine große Dame, die nicht nur Ähnlichkeit mit einer Kropftaube hatte, sondern auch wie ein Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert wirkte, das sich noch wie zu Königin Victorias Zeiten kleidete. In der Tat eine etwas außergewöhnliche Persönlichkeit, die in bezug auf die gesellschaftlichen Dinge unserer Gegend eine gewichtige Stimme hatte.
    Bei unserem Eintreffen stellte ich mit ziemlicher Erleichterung fest, daß man den fröhlichen Tim, der früher auf dem Gut als Kuhknecht tätig war, bevor er selbst Pächter wurde, ebenfalls in seinen Sonntagsanzug nebst Fliege gezwungen hatte. Man sah ihm an, wie unwohl er sich darin fühlte.
    »Warum hast du dich so fein gemacht?« fragte ich, bevor er mich aufs Korn nehmen konnte.
    Mit seinem dicken Zeigefinger versuchte er den eng sitzenden Kragen etwas zu lockern.
    »Irgendeine besondere Dame wird erwartet. Nehm’ an, daß es etwas feiner zugehen soll.«
    »Und wieso müssen wir beide deswegen unsere Sonntagsanzüge tragen?«
    Der Grund dafür blieb ihm verborgen. »Ich weiß es auch nicht, aber so ist’s nun mal.«
    »Hört sich ganz so an, als würd’s ein etwas heikler Abend werden«, sagte ich.
    Er hatte kein Mitleid mit mir. »Du hast’s doch gut! Wenn du’s richtig anstellst, kannst du dich doch früh aus dem Staub machen.«
    Aber eine solche Chance war sehr gering! Es tauchten noch zwei weitere Besucherinnen, beide ältere Jungfern, unerwarteterweise zusammen mit der gefürchteten Miss Hamilton auf. Andächtig lauschten sie jedem ihrer Worte und zwitscherten wie ein griechischer Chor auf der Bühne in den entsprechenden Textpausen. Shirley zeigte sich tief beeindruckt. Sie war unserer Gastgeberin dabei behilflich, winzige Gläschen mit süßem Sherry einzuschenken sowie Kuchen und Schnitten anzubieten.
    »Vielleicht gibt’s ‘ne Möglichkeit, sich auf ein schnelles Bier davonzuschleichen«, flüsterte der optimistische Tim hinter vorgehaltener Hand.
    Doch unsere Situation war hoffnungslos. Wie zwei Nachtfalter, die man mit einer Nadel auf ein Brett zum Sammeln gespießt hatte, saßen wir mit ergebener Miene dabei.
    Unerwarteterweise tauchte Erlösung in Gestalt des lebhaften 13jährigen Sohns von Tim auf. »Komm ganz schnell, Papa, die beiden großen Säue bringen die dritte um!«
    Der Gastgeber rannte hinaus, ohne das Ende der Lektion abzuwarten, wie man Teekannenwärmer häkelt. Auch ich stob mit der gleichen Eile davon.
    Es herrschte ein riesiger Tumult in dem Schweinestall, an dem sich alle dreißig Schweine beteiligten. Die Mauer eines Geheges war niedergerissen worden, und zwei Säue mit blutigen Ohren schnüffelten suchend an dem zentralen Futtertrog und Mittelgang herum sowie an anderen Türen, aber von der dritten Sau war nichts zu sehen.
    Tims Sohn entdeckte, was geschehen war. »Sie muß dort unten in der Jauchegrube sein. Sie haben sie durch die Mauer gestoßen, sie ist dann auf die Deckplatte gefallen, ist damit zusammengebrochen und in der Jauchegrube gelandet.«
    Genauso war es gewesen! Das unglückliche Tier saß in dem Abflußrohr, das wie ein unterirdischer Tunnel unter dem Schweinestall entlanglief.
    Tim ließ ein paar deftige Flüche vernehmen. »Über Nacht dürfen wir die da nicht drin lassen. Sie ist trächtig und kann sich vielleicht verletzen oder so. Wir müssen sie auf jeden Fall rausholen.«
    Er öffnete die Stalltür und jagte die beiden tyrannischen Säue ins Freie. Während dieser Aktion tauchte die dritte Sau plötzlich in dem düsteren Tunnel auf und starrte uns von unten her an.
    »Schmeißt ein paar Strohballen zu ihr runter, damit sie eine Art Treppe hat, auf der sie nach oben klettern kann«, sagte Tim, der sich hingekniet hatte, um die

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