Alle meine Schaefchen
Morris daran zu erinnern, daß er bei uns die Schafschur macht.«
»Falls er aufs College geht, wird’s für uns hier Schwierigkeiten geben. Du könntest das nicht alles allein schaffen.«
»Man würde einige Dinge ändern müssen, aber irgendwie würd’s schon gehen«, entgegnete ich. »Wichtig ist, daß wir ihm jetzt keine Knüppel zwischen die Beine werfen, damit er sich frei entscheiden kann. Wenn er soweit ist, wird er es uns sicher sagen...«
Shirley machte ein langes Gesicht. »Hoffentlich läßt er sich mit dem Entscheiden nicht allzu lange Zeit.«
»Wir müssen abwarten«, sagte ich. »Aber laß dir deswegen keine grauen Haare wachsen...«
21.
Onkel Russell, eine Schlange und ein Strumpfbandschwein
D erjenige, welcher den Mythos in die Welt gesetzt hat, daß man auf dem Land ein ruhiges Leben führt und geruhsam nur auf Strohhalmen kaut, hat offensichtlich nie auf einer kleinen Farm am Rande von Wales gelebt und war bestimmt nicht mit Freunden wie den unsrigen gesegnet. An ein und demselben Tag im Juni hatten wir das Vergnügen, Onkel Russell, einer Schlange und einem Schwein mit Strumpfbändern zu begegnen.
Die Aufregungen begannen, als John und ich auf der fünfzehn Morgen großen Weide arbeiteten. Den Hunden wurde es allmählich langweilig, uns zu beobachten, und sie fingen an umherzuschnüffeln. Plötzlich rannten sie über das Gras und verbellten aufgeregt etwas, was sich zwischen den beiden bewegte. Aufgrund des Tumults drängten sich die Schafe und Lämmer ängstlich zusammen; es war ihnen klar, daß man sie nicht meinte, aber sie waren in Bereitschaft, sofort loszurennen, sollte es notwendig werden.
John, der in der heißen Sonne mit freiem Oberkörper gearbeitet hatte, legte seinen Vorschlaghammer beiseite, den er zum Einrammen der Grenzpfosten brauchte, und lief davon, um nach dem Rechten zu sehen. Etwas gemächlicher folgte ich ihm.
»Es ist eine Schlange«, rief er. »Eine Ringelnatter haben die aufgestöbert.«
Sie war ziemlich groß, etwa einen Meter lang, und sah schön aus in ihrer neuen grüngelb gesprenkelten Haut. Es war das erste Mal, daß ich eine Ringelnatter auf unserem Anwesen sah, obwohl man behauptete, es gäbe viele an den Hängen des Berges, der den Hintergrund in dieser Landschaft bildete.
Wahrscheinlich war die Schlange bei einem wärmenden Sonnenbad eingeschlafen; so konnte es geschehen, daß die Hunde ihr den Fluchtweg ins höhere Gras und Dickicht des Knicks abgeschnitten hatten, wo sie ihnen entkommen wäre. Listig hatten sie sie auf die offene Weide getrieben, wo sie im Vorteil waren. Jedesmal, wenn die Hunde der Natter zu nahe kamen, hob sie als Drohgebärde ihren Kopf und tat so, als hätte sie Giftzähne. Doch sie bluffte nur, denn eigentlich war sie harmlos.
Es wäre von uns bösartig gewesen, die Hunde ein derartig schönes Tier töten zu lassen; daher wartete ich einen günstigen Augenblick ab, hob den aufgeregten Terrier hoch und hielt ihn trotz des Gestrampels, um freizukommen, fest. Die Ringelnatter machte auf der offenen Weide kehrt und schlängelte sich eilig in die Sicherheit der dicht wuchernden Hecke, wobei ihr der Schäferhund folgte. Nachdem ich Peter wieder auf den Boden gesetzt hatte, nahm er sofort die Jagd nach ihr auf, aber die Schlange war verschwunden, und bald gaben die Hunde ihre Verfolgung auf und liefen mit uns zum Flüßchen zurück.
An der südlichen Begrenzung von Egerton kreuzte der Zaun zwischen unserem und dem Land des Nachbarn mehrfach diesen kleinen Fluß, der eine natürliche Teilung war; auf diese Weise war es den Herden auf beiden Seiten möglich, Zugang zum Wasser zu haben. In der Landwirtschaft zäunt man immer die eigenen Tiere ein, was nichts anderes bedeutet, als daß man die Verantwortung dafür trägt, daß die Tiere auf dem eigenen Grund und Boden bleiben und daß es nicht die Aufgabe des Nachbarn ist, sie von seinem Besitz fernzuhalten.
Unsere Mutterschafe und ihre Lämmer mit den schwarzen Gesichtern waren keine Kreaturen, die Eigentum respektierten. Sie liefen einfach dorthin, wo das Gras am grünsten aussah. Und wenn es notwendig wurde, daß sie zu diesem Zweck durch einen Zaun brechen mußten — und dies möglich war —, dann zögerten sie davor keineswegs.
Aus diesem Grund rammten wir die Pfosten ein und spannten einen neuen Drahtzaun. Zuerst trieben wir ein Stemmeisen in den Lehmboden, um ein Loch vorzubohren; dann stellten wir die Spitze des Pfostens hinein und rammten ihn tief in die Erde.
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