Alle meine Schuhe
gut?« Maddy kam ins Wohnzimmer und ließ sich seufzend auf ein Sitzkissen fallen. »Charlotte scheint einen netten Abend gehabt zu haben.«
»Maddy, du weißt doch, dieser Mann, der die Briefe geschrieben hat?« Viel zu geschockt, fügte Amy einfach nur hinzu: »Er ist in Wirklichkeit mein Vater.«
Maddy starrte sie an, öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, schwieg dann aber.
»Ich habe es gerade erst herausgefunden. Zuerst dachte ich, die beiden hätten nur eine Affäre gehabt, aber jetzt …«
»Oh, Amy …«
»Die Daten passen perfekt. Ich werde diese Woche 25 und vor fünfundzwanzig Jahren und neun Monaten waren Mum und Sergei in Paris zusammen!«
Maddy runzelte die Stirn. »Das ist aber noch kein Beweis. Solche Daten lassen sich nicht exakt berechnen, schon gar nicht, wenn es …«
»Ich bin mir sicher, Maddy. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Sinn ergibt es. Mein Dad war nicht mein leiblicher Vater.«
Amy verzog traurig das Gesicht. Maddy griff schnell nach der Box mit den Papiertüchern, die ganz in der Nähe auf dem Boden stand. »Hier, bitte.«
Vorsichtig schob Maddy ihr Kissen neben das von Amy, setzte sich zu ihr und legte ihr zaghaft den tätowierten Arm um die Schultern.
»Ich frage mich, ob er es wusste? Mein Dad – Patrick, meine ich. Ob er wohl wusste, dass ich nicht … seine ? Oh, Maddy, das klingt so absurd. Er war mein Dad! Er hat mich großgezogen, mir Pflaster auf die aufgeschlagenen Knie geklebt, mir Hühnersuppe gekocht, wenn ich krank war, ist mit mir ins Kino gegangen, hat mich abends ins Bett gebracht – wie in aller Welt kann er da nicht mein wirklicher Vater sein?«
»Klingt für mich so, als wäre er ein ziemlich guter Vater gewesen, ob er es nun genetisch war oder nicht«, betonte Maddy.
Amy hörte ihr kaum zu. »Aber … natürlich! Das erklärt, warum Sergei keine Mühe gescheut hat, sich mit mir zu treffen, wenn er in London war. Darum ist er mit mir ins Ballett gegangen und interessierte sich für alles, was ich ihm erzählte. Ich dachte immer, das läge nur daran, dass er Mum gekannt hat … Aber natürlich, er kannte sie sogar um einiges besser als ich. …«
»Nur mit der Ruhe, Mädchen«, sagte Maddy tröstend, als Amy vor Schluchzen nicht weiterreden konnte. »Lass uns versuchen, auf dem Teppich zu bleiben, okay?«
Amy schnappte ein paar Mal nach Luft. »Na gut. Aber ich muss ständig an meinen Dad denken! Wie konnte Mum so etwas tun? Wie konnte sie eine Affäre haben?«
»Die Dinge sind selten nur schwarz oder weiß, Amy«, redete Maddy ihr zu. »Ich hatte auch mal den Verdacht, dass Vance fremdgeht. Es stellte sich heraus, dass er Überstunden gemacht hat, um eine Anzahlung auf das Studio nebenan leisten zu können – als Geschenk für mich.«
Amy hob den Kopf und rang sich ein Lächeln ab. »Ehrlich? Warum in aller Welt hast du dich von so einem Mann getrennt?«
»Wir haben es gemeinsam entschieden«, antwortete Maddy und schaute in die Ferne. »Wir haben eingesehen, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse haben, das ist alles. Trotzdem werden wir einander immer lieben. Weißt du, Amy, nach allem was du mir erzählt hast, muss deine Mutter dich sehr geliebt haben, stimmt’s?«
Amy nickte und nagte an ihrer Unterlippe.
»Und sie und dein Dad …«
»Patrick? Oder meinst du jetzt Sergei?« Die leise Verbitterung war aus ihrer Stimme herauszuhören.
» Patrick natürlich – waren die beiden glücklich miteinander?«
Amy seufzte. »Oh, ja, davon bin ich überzeugt. Wir waren alle drei glücklich miteinander.«
»Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein, wenn sie es nicht zugelassen hat, dass die große Liebe ihres Lebens deine glückliche Kindheit durcheinanderbrachte und vor allem … nein, Amy!« Sie hob streng die Hand, als Amy sie unterbrechen wollte. »Sie hat auch Patrick glücklich gemacht – was glaubst du, warum sie das konnte?«
»Weil sie bemerkenswert war«, antwortete Amy ohne zu zögern.
» Voilà! «
»Wie man in Paris sagen würde«, ergänzte Amy mit finsterem Blick.
Maddy hob den Ballettschuh auf, der zwischen den beiden Kissen auf dem Boden lag, drehte ihn hin und her und sah ihn sich sehr genau an, während Amy ihr dabei zuschaute.
»Weißt du«, sagte Maddy nach einer Weile, »deine Mutter versteckte diese Briefe – korrigier mich bitte, falls ich mich irre – an einem Ort, von dem sie wusste, dass dein Vater nicht zufällig darüberstolpern würde. Auf diese Weise konnte sie sicher sein, ihm nie
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