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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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wollen mich hier los sein.» Er lächelte häßlich dabei.
    «Ja», sagte ich. «Ich heirate Marianne de Sinclair. Da möchte ich dich nicht in der Nähe behalten.»
    Bompard begann ein zweites Stück Brot in seine Tasse zu tauchen. «Ich bin nicht mehr der Jüngste», sagte er. «Ich möchte nicht mehr reisen.»
    Meine Brust schnürte sich zusammen; es wurde mir bewußt, daß ich verletzlich war.
    «Nimm dich in acht», sagte ich; «wenn du mein Anerbieten ablehnst, werde ich Marianne auf der Stelle die Wahrheit sagen und dich aus dem Hause jagen. Du wirst nicht so leicht etwas anderes finden.»
    Er konnte nicht erraten, wieviel mir die Bewahrung meines Geheimnisses wert war; auch war er alt und müde.
    «Es wird mich hart ankommen», sagte er, «mich von Ihnen zu trennen. Aber ich rechne auf Ihre Großmut, die mir die Leiden des Exils erträglich machen wird.»
    «Ich hoffe, es gefällt dir so gut, daß du den Rest deiner Tage dort verbringen wirst», sagte ich.
    «Oh! Ich möchte doch nicht sterben, ohne Sie wiedergesehen zu haben», antwortete er mir.
    In seiner Stimme lag eine Drohung, und ich dachte bei mir: Jetzt habe ich etwas zu fürchten, etwas, wofür ich kämpfen muß. Ich liebe und kann leiden; jetzt bin ich wieder ein Mensch.
    «Ich höre den Schlag deines Herzens», sagte ich zu Marianne.
    Es begann zu tagen; mein Kopf ruhte auf ihrer Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte; und ich hörte ihr Herz mit dumpfen Schlägen pochen; jeder Schlag jagte einen Blutstrom in ihre Adern hinein, und dann floß dies kreisende Blut zu ihrem Herzen zurück; da unten am silbernen Strand hoben sich die Wellen, wenn der Mond sie anzog, und fielen zum Ufersand zurück; am Himmel stürzte die Erde auf die Sonne zu, der Mond wiederum auf die Erde in ewig aufgehaltenem Fall.
    «Natürlich schlägt es», sagte sie.
    Es kam ihr ganz selbstverständlich vor, daß ihr Blut durch ihre Adern rann, daß die Erde sich drehte unter ihren Füßen; ich jedoch hatte mich nur schlecht an diese sonderbaren neuen Erkenntnisse gewöhnt; ich horchte angestrengt: ich vernahm ihre Herzschläge, deutlich hörte ich sie; konnte man nicht auch die Erdbewegung hören?
    Sie schob mich sanft von sich fort: «Jetzt laß. Ich möchte aufstehen.»
    «Du hast doch Zeit. Es ist noch so schön.»
    Ein Lichtschimmer drang durch die Fenstervorhänge; in der Dämmerung erkannte ich die gepolsterten Wände, die mit schönen Dingen beladene Coiffeuse, die duftigen Unterröcke, die durcheinandergewirbelt auf den Sesseln lagen; Blumen standen in einer Vase; alle diese Dinge waren Wirklichkeit, sie glichen nicht den Gegenständen, die man in Träumen sieht; dennoch gehörten diese Blumen, die Porzellane, der Irisduft nicht ganz meinem Leben an; ich kam mir vor, als wäre ich mit einem Sprung aus der Ewigkeit in einem Augenblick gelandet, der für einen andern bereitgehalten war.
    «Es ist schon spät», sagte Marianne.
    «Langweilst du dich mit mir?»
    «Ich langweile mich, wenn ich nichts tue», sagte sie. «Ich habe so viel zu tun.»
    Ich ließ sie los; sie hatte es eilig, ihren Tag zu beginnen; das war nur natürlich. Die Zeit hatte für sie und für mich nicht den gleichen Wert.
    «Was hast du denn zu tun?» fragte ich.
    «Erstens kommen die Tapezierer den kleinen Salon einrichten.» Sie zog die Vorhänge auf.
    «Du hast mir noch nicht gesagt, welche Farbe du möchtest.»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Aber du hast doch sicher deine Vorlieben: Mandelgrün oder Lindengrün?»
    «Mandelgrün.»
    «Du antwortest auf gut Glück», sagte ich vorwurfsvoll.
    Sie hatte sich vorgenommen, das Haus von oben bis unten neu einzurichten, und ich staunte, wie lange sie wegen eines Teppichmusters oder der Farbnuance eines Seidenstoffs hin und her überlegen konnte. Lohnt es sich denn, fragte ich mich, daß man sich wegen 30 oder 40   Jahren soviel Mühe macht? Man hätte meinen können, sie richte sich für die Ewigkeit ein. Einen Augenblick sah ich ihr zu, wie sie sichlautlos bewegte; sie zog sich immer sehr sorgfältig an, sie liebte Kleider und Schmuck genauso wie Blumen, Bilder, Bücher, Musik, Theater und die Politik. Ich bewunderte sie, daß sie sich allen diesen Dingen mit der gleichen Leidenschaft hinzugeben vermochte. Plötzlich blieb sie an einem der Schlafzimmerfenster stehen.
    «Wo stellen wir die Volière hin? Neben die große Eiche oder unter den Lindenbaum?»
    «Hübscher wäre noch, der Fluß ginge hindurch», sagte ich.
    «Du hast recht, wir stellen sie

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