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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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lächeln. Sie hatte eher Angst. Ihr Blick schweifte rings an den Wänden entlang. Sie durfte keine Hilfe mehr von dieser Welt erwarten, die sie umgab; sie trat in ein sonderbares neues Universum ein, in dem sie allein sein würde mit diesem Unbekannten. Sie dachte: Was wird jetzt geschehen?
     
    «Es ist Zeit», sagte Regine.
    «Zeit, wozu?»
    «Zeit, zu gehen.»
    Durch das Fenster der Garderobe sah man Schneeflocken fallen rings um die beleuchtete Lampe einer Straßenlaterne. Man bekam eine Ahnung von gedämpften Schritten auf weißverschneitem Pflaster, von dem Schweigen da draußen. Das Kostüm der Rosalinde lag auf einem Stuhl.
    «Stellen wir uns vor, daß die Zeit stillsteht», sagte Fosca.
    «Da draußen geht sie weiter.»
    Er stand auf. Jedesmal war sie erstaunt über seine hohe Gestalt: ein Mensch aus anderen Zeiten.
    «Warum müssen Sie hingehen?» fragte er.
    «Weil es nützlich ist», sagte sie.
    «Nützlich wofür?»
    «Für meine Karriere. Eine Schauspielerin muß viele Leute sehen und sich überall zeigen, sonst wird sie schnell vergessen.» Sie lächelte. «Ich will berühmt werden. Werden Sie nicht stolz auf mich sein, wenn ich berühmt geworden bin?»
    Mit seiner immer etwas bedeckten Stimme sagte er: «Sie gefallen mir so.» Er zog sie zu sich heran und küßte sie lange auf den Mund: «Wie schön Sie sind heute abend!»
    Er sah sie an, und ihr wurde warm unter seinem Blick; es war ihr unerträglich, zu denken, daß sich seine Blicke wieder von ihr lösen würden und daß dieser große Augenblick in ihrem Leben untergehen würde in Gleichgültigkeit und Vergessen. Zögernd blickte sie ihn an.
    «Sie können mich begleiten, wenn Sie wollen», sagte sie.
    «Sie wissen genau, daß ich will», sagte er.
    Floras Salon war voll von Menschen. Regine blieb einen Augenblick lang auf der Schwelle stehen: jedesmal fühlte sie den gleichen Stich im Herzen. Jede von diesen Frauen fühlte sich den anderen überlegen, und für jede von ihnen gab es wenigstens einen Mann, der sie herrlicher fand als alle anderen. Wie konnte man die Kühnheit haben, dennoch behauptenzu wollen: Ich allein habe recht damit, wenn ich mich für schöner halte.
    Sie wendete sich Fosca zu: «Es sind viele hübsche Frauen hier.»
    «Ja», sagte er.
    «So! Das sehen Sie», sagte sie.
    «Ich habe durch Ihren Anblick wieder sehen gelernt.»
    «Sagen Sie, welche die Schönste ist.»
    «Nach welchem Gesichtspunkt?» fragte er.
    «Welch sonderbare Frage.»
    «Um etwas vorzuziehen, muß man doch einen bestimmten Gesichtspunkt haben.»
    «Und haben Sie etwa keinen?»
    Er zögerte. Dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht: «Doch. Ich bin ein Mann, der Sie liebt.»
    «Also?»
    «Also sind Sie die Schönste. Denn wer könnte Ihnen mehr gleichen als Sie selbst?»
    Etwas mißtrauisch sah sie ihn an: «Denken Sie wirklich, daß ich die Schönste bin?»
    «Sie allein sind da», sagte er warm.
    Sie ging auf Flora zu; gewöhnlich spielte sie ungern im Hause einer anderen, im Leben einer anderen Frau die Rolle des Gastes; aber sie fühlte hinter sich Fosca mit seiner schüchternen und etwas linkischen Art, und für dies unsterbliche Herz existierte nur sie. Sie lächelte Flora zu: «Ich habe mir erlaubt, einen Freund mitzubringen.»
    «Er ist willkommen.»
    Sie schritt durch den ganzen Salon und drückte überall Hände. Floras Freunde liebten sie nicht, sie erriet, welches Übelwollen sich hinter ihrem Lächeln verbarg. Aber heute abend verfing ihr Urteil nicht bei ihr. Sie werden bald tot sein, und ihre Gedanken auch. Lauter Eintagsfliegen. Sie fühlte sich unverwundbar.
    «Willst du diesen Menschen jetzt überall mit dir herumschleppen?» fragte Roger.
    Er schien sehr ungehalten.
    «Er wollte nicht gehen», gab sie gleichgültig zurück.
    Aus Saniers Händen nahm sie ein Schälchen mit Früchten.
    «Flora sieht heute abend entzückend aus.»
    «Ja», sagte er.
    Sie hatten sich schließlich wieder versöhnt, und Sanier schien verliebter als je. Regine folgte ihnen mit dem Blick, als sie Wange an Wange tanzten. Eine Welt von Liebe lag in der Art, wie sie sich zulächelten: aber es war doch nur eine arme, sterbliche Liebe.
    «Wir müssen ernstlich miteinander reden», sagte Roger.
    «Jederzeit.»
    Sie war ganz leicht, sie war frei; sie hatte in der Kehle keine Bitterkeit mehr. Sie war eine riesige Eiche, die mit der Stirn an den Himmel rührte, und zu ihren Füßen auf der Wiese wogten die Gräser.
    «Ich möchte Sie um eine Gunst bitten», sagte

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