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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Will er mit mir übers Wochenende nach Stockholm, kein Problem, Papa zahlt. Und dabei ist er furchtbar nett und klug und gut aussehend und was weiß ich nicht alles – wenn er will. Manchmal hab ich richtig Angst … es ist, als steckte irgendetwas Kaltes in ihm. Er versucht es zu verbergen, aber ab und zu blitzt es doch auf.»
    Ich sah Jaanas Beine vor mir, braun gebrannt von den Segeltörns, sah den gehetzten Blick in ihren meerblauen Augen und die Bierflasche in ihrer Hand, aus meiner Hälfte unseres gemeinsamen Kühlschranks, wo sich immer genügend Nachschub befand.
    «Ich kann seine Logik einfach nicht begreifen. Er erklärt mir, er wäre nicht mein Eigentum, was ja auch stimmt, aber mich betrachtet er trotzdem als seinen Privatbesitz. Er genießt es, dass er Macht über mich hat. Er will Menschen besitzen, sie beherrschen. Durch Sex, durch Flirten, indem er ihnen Geld leiht und so weiter. Jukka ist exakt der Typ Mann, der einem absolut wunderbar vorkommt, solange man ihn nicht zu genau kennt.»
    Kurz nach diesem Gespräch war Jukka angetanzt, um sich mit Jaana zu versöhnen, und diesmal hatte sie sich noch ziemlich leicht besänftigen lassen. Auch in dieser Kunst war Jukka Meister gewesen, mal brachte er Jaana Blumen als Versöhnungsopfer, mal Champagner.
    Aber diesmal hatte seine Besänftigungskunst versagt. Er musste irgendwen dermaßen erzürnt haben, dass keine andere Lösung mehr möglich war als die eine unwiderrufliche.
    Hinter der Sauna blühte schon das Heidekraut, vereinzelt ragten auch verspätete Wachtelweizenhalme zwischen den Blaubeersträuchern hervor. Die Sauna hatte keinen festen Sockel, sondern stand auf Pfosten, sodass zwischen dem Häuschen und dem Erdboden ein Zwischenraum blieb, wo man allerhand verstauen konnte. Ich fragte mich, was Hiltunen auf die Idee gebracht hatte, dort nachzusehen, und wie er es geschafft hatte, die Axt zu entdecken. Nach den Fotos, die ich gesehen hatte, war sie nämlich nicht einfach unter die Sauna geworfen, sondern sorgfältig verstaut worden. Vom Hinschauen wurde ich allerdings auch nicht klüger.
    Jemand war also aus dem Haus gekommen, hatte mit der Axt, die am Bootssteg liegen geblieben war, Jukka niedergeschlagen und sich dann die Mühe gemacht, bis zur Sauna zu gehen, um die Axt zu verstecken. Warum bloß? Warum hatte er – oder sie – die Tatwaffe abgespült, statt sie einfach ins Meer zu werfen? Wenn der Mörder ein Fremder war, der mit dem Boot gekommen war, hätte er die Axt doch mitgenommen und draußen im Meer versenkt. Das Versteck unter der Sauna schien auf eins der Chormitglieder hinzudeuten.
    War der Mörder zur Sauna gegangen, um sich zu waschen? Aber aus Jukkas Wunde konnte eigentlich kein Blut gespritzt sein. Besaßen die Fingerabdrücke irgendeine Beweiskraft? Antti und Mirja hatten glaubwürdige Erklärungen geliefert. Aber wie hatte der Mörder die Axt angefasst? An ihrem glatt polierten Stiel waren keine Handschuhfasern entdeckt worden. Handschuhe sprachen für eine vorsätzliche Tat. Ich kroch unter die Sauna, um nach Handschuhen zu suchen, und schnitt mir an einer Glasscherbe das Handgelenk auf. Überall lagen Glassplitter herum. Mit dem Hintern voran kroch ich fluchend ans Tageslicht.
    Möwen kreischten am Ufer, weit draußen auf dem Meer schwamm ein Wasservogel, wahrscheinlich ein Haubentaucher. Würden die Peltonens ihre Villa je wieder als Idylle erleben, oder schwamm Jukkas Leiche in alle Ewigkeit neben dem Bootssteg? In stürmischen Herbstnächten würde er aus dem Wasser steigen und zu spuken beginnen …
    Ich musste an meine Eltern denken. Wenn eins ihrer Kinder in ihrem geliebten Sommerhäuschen umgebracht worden wäre, würden sie ganz sicher keinen Fuß mehr in das Haus setzen. Meine Mutter hatte gestern Abend angerufen und sich besorgt erkundigt, wie es mir ginge. Sie fand es schrecklich, dass ich mich von Berufs wegen mit Gewaltverbrechen befasste. Schon meine Entscheidung für die Polizeischule war für meine Eltern eine furchtbare Enttäuschung gewesen. Ihrer Ansicht nach hätte ich mit meinem blendenden Abiturzeugnis etwas Besseres anfangen können, z.B. Sprachen studieren, irgendetwas, das sich für Mädchen schickte. Mit dem Jurastudium waren sie dann allerdings einverstanden, obwohl es mit keinem ihrer Fächer zu tun hatte – mein Vater unterrichtete Mathematik und Chemie, meine Mutter Englisch. Meine eine Schwester studierte Deutsch und Schwedisch und war mit einem Chemiker verheiratet, die andere studierte

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