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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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gar nicht so ein Stockfisch. Man kann sich über Kunst und Bücher mit ihm unterhalten. Über die permanenten Ausstellungen weiß er gut Bescheid, in den neueren Sachen war er noch nicht. Wir gehen nächsten Freitag, willst du mit?
    Er sagte jedes Mal zu. Man sah sich mindestens zweimal, meist dreimal die Woche. Und irgendwann beginnst du, ob du willst oder nicht, den Unterschied zu spüren: zwischen der Sorte Tagen, die man mit ihm verbringt, und der Sorte, die man nicht mit ihm verbringt. An den Tagen, die man mit ihm verbringt, muss man an nichts denken. An den anderen muss man an ihn denken. Mercedes hätte nicht sagen können, was besser war. Ja, Psychologie spielte vermutlich auch eine Rolle. Dass ich es, ihn , gut finden wollte, aber warum nicht? Die wichtigsten Eckpunkte ihres Lebens hatten sich wieder an ihren Platz begeben, aber mit einer neuen Spannung zwischen den Teilen, ein neues Gebäude, es arbeitete in den Fugen. Sie spürte die Wiederkehr dieses ihr so gut bekannten, schwindelerregenden Zustands: jemandes heimliche Geliebte zu sein.

Ce jour
    Und eines Montags erschien sie dann Arm in Arm mit diesem Typen beim Jour fixe.
    Neuerdings fanden wieder welche statt, diesmal unter der Schirmherrschaft des Ehepaars Erik-Maya, in einem Café in der Nähe des Verlags. Die Zeit verlangt nach geselligem Leben und neuen Diskussionen. Wenn du (Mercedes) nichts dagegen hast. Warum sollte ich etwas dagegen haben? Sie horchte in sich hinein, und tatsächlich: kein Schmerz mehr. Ehrlich gesagt, habe ich fast schon vergessen, wie es in jenem Haus war.

    Das Wochenende vor diesem Montag hatte sie mit Arbeit verbracht. Einer ihrer Autoren, sein Name ist Maximilian G., aber aus gegebenem Anlass nennen wir (Erik) ihn einfach Madmax, rief sie noch vor dem Frühstück mit zitternder Stimme an: Können wir uns sehen? Ich weiß, es ist Wochenende, aber ich … (Es war eine schreckliche Nacht.)
    Ein netter Junge, sagte Erik, ein kluger Kopf, aber ein Wahnsinniger. Er denkt, er müsse sich kaputt denken.
    Wir sind gleich alt, zwölf Jahre in derselben Schulbank, jetzt sieh mich an, sieh ihn an. Das Haar grau und schütter, und die Kopfhaut!, die Zähne!, der ganze Körper! Der Rücken gekrümmt, ebenso die Finger, dazwischen zittert die Kippe, alle Viertelstunde wird er von einem Raucherhusten durchgeschüttelt. Jede einzelne Seite schneidet er sich wahrhaftig aus den Rippen, er wird von Seite zu Seite weniger. Wenn ihn eines Tages der Luftzug aus dem Fenster weht, wird er so zögernd und langsam segeln wie ein Blatt.
    Überhaupt kein Problem, sagte Mercedes mit sanfter, beruhigender Stimme. Ich rufe Großmutter an, ob sie auf dich (Omar) aufpassen, nein, formuliere es anders, ob sie dir Gesellschaft leisten möchte.
    Oder, sagte Omar, ich gehe, wie geplant, mit Abel in den Zoo.
    Ich weiß nicht…
    Es ist sowieso zu spät, er wird jeden Augenblick hier sein.
    Hier klingelte es.
    Siehst du?
    Einen Augenblick später waren sie weg, mir ist, als hätte ich nicht einmal Zeit gehabt, »aber« zu sagen, und – Was für eine Metamorphose! – Madmax saß an Omars Stelle am Esstisch, starrte mit fiebrigen Augen in die Richtung, wo das Manuskript lag, während sich Mercedes gerade das dritte Mal daran machte, einen Satz laut vorzulesen, dessen Sinn sich zuerst von Nebensatz zu Nebensatz, wie es sich gehört, immer tiefer greifend entfaltete, doch dann, kurz vor Schluss, verknäulte sich etwas, und plötzlich wusste man nicht mehr…
    Manchmal frage ich mich wirklich, sagte MM bitter, ob überhaupt ein einziger Gedanke aufrecht zu erhalten ist.
    Seine Hand lag auf der Tischplatte, und die Finger zitterten so stark, dass es sich auf den Eistee übertrug, der in einem Glaskrug daneben stand. Das Echo eines fernen Bebens.
    Ich bin mir sicher, sagte Mercedes sanft, es ist nur ein sprachliches Problem.
    Natürlich, sagte MM. Es ist immer nur ein sprachliches Problem.
    Mercedes bemerkte erschrocken, dass sich das Zittern über seinen ganzen Körper ausgebreitet hatte, als wäre er von Strom geschüttelt. Er stand auf, der Stuhl schlitterte schrillend zurück.
    Ich muss eine rauchen, Entschuldigung, sagte er, aber dann stellte er sich nicht, wie es zu erwarten gewesen wäre, an das offene Fenster, sondern kauerte sich auf das Fensterbrett, den Rücken an den Rahmen gelehnt: Schuhe, Socken, Hosenbeine und über einem spitzen Hintern der Rest des Körpers, zusammengefaltet, eine Lumpenpuppe, der man seit wie vielen Wintern versäumt hat, die

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