Alle Tage: Roman (German Edition)

in uns, das kleine Säugetier …
    Die meisten religiösen Ekstasen waren wahrscheinlich Epilepsie.
    Weißt du, wo der Flaschenöffner ist?
    Ja, ja, danke, danke, danke, nur zum Anstoßen!
    Von Poesie erwarte ich, dass sie mich in meinem Menschsein erhöht, wenn mir nach Unterhaltung ist, gucke ich …
    Ah, da bist du ja! Er ist da!

    Er kam als Letzter und ohne Geschenk, entschuldigte sich höflich für das Versäumnis. Nicht mehr dazu gekommen.
    Jemand, der sechs Stunden im Tomographen gelegen hat …
    Sechs Stunden im Tomographen, wie soll das gehen, meine Liebe? (Alegria, zur Seite:) Wenn das keine versteckten Mordfantasien sind! Doch warum sollte sie ihren Schwiegersohn töten wollen? Noch kennen wir den Grund nicht.
    Kann man jemanden töten mit einem Tomographen?
    Man kann jemanden mit einem Diaprojektor töten.
    Wäre mal was Neues.
    In den überwiegenden Fällen tötet mein Vater mit Gift.
    Guten Appetit.
    Er sah zerschlagen aus, nahm Miriam den Teller ab, den sie ihm anbot, Speisen darauf, die andere Hand wurde von Omar gehalten, er zog ihn zu einem Sofa. Abel rührte das Essen nicht an, hielt nur den Teller eine Weile auf dem Schoß, später stellte er ihn unter das Sofa.
    Guten Tag, das war alles, was man von ihm zu hören bekam. Unterhält sich den ganzen Abend mit einem Zehnjährigen.
    Elf, sagte Mercedes. Und: Na und? Anscheinend haben sie sich etwas zu sagen.
    Worüber habt ihr geredet, fragte sie später Omar.
    Über Eskimos.
    Ihr habt über Eskimos geredet?
    Ja.
    Den ganzen Abend?
    Nein. Wir sind später abgeschweift.
    Abgeschweift? Wohin?
    Wir haben uns auf Russisch unterhalten.
    Wovon ich rede, schrie Erik, ist, dass die Forderung nach einem Glauben an einen abstrakten Gott unser Denken per se überfordert. Seitdem es nicht mehr um praktische Belange wie Wetter, Fruchtbarkeit oder den Triumph über Feinde und Nachbarn geht…
    Seit wann denn das?
    In Gruppenexperimenten ist herausgekommen, dass … nur weil sie zur jeweils anderen Gruppe … völlig willkürlich …
    Ja, ja, ja, ja.
    Tonetidi , hörte Tatjana, die russische Vorfahren hat und auf Abels anderer Seite auf dem Sofa Platz genommen hat, den Jungen sagen.
    Sein Lehrer nickte. Tossise .

    Später war Omar zu Bett gegangen, Mercedes begleitete Gäste hinaus. (Danke für das Essen und das gedämpfte Licht!) Als sie wieder zurückkam, stand Abel in der Mitte des Zimmers, vor ihm Erik, sein vorgestreckter Bauch berührte ihn fast. Erik schwankte. Er war sehr betrunken.

    Was soll das werden? fragte Maya früher am Abend ihren Mann.
    Was? fragte Erik.
    Er sah sie nicht an. Er saß – nach einer erschöpfenden und lauten Diskussion zum Thema Sprache und Politik – in einem einzelnen Sessel in der Nähe des Getränketisches, behielt das Sofa gegenüber im Auge, zählte die Gläser mit, die Abel leerte, und zog nach.
    Maya: Das ist schon das sechste.
    Oh, sagte Erik, dann habe ich mich irgendwo verzählt. Ich dachte, es wäre erst das fünfte.
    Die vorangegangene Diskussion hatte er, wie immer, im Wesentlichen mit Madmax und Tatjana geführt, nur dass er sich diesmal nach jedem dritten, vierten Satz an Abel wandte und fragte:
    Was ist deine Meinung, Abel?
    Der Zehnsprachenmann jedes Mal, als tauchte er von ganz tief auf: Pardon, was war die Frage?
    Erik wiederholte die Frage, woraufhin Abel – aber wirklich jedes verdammte Mal! – Damit kenne ich mich nicht aus, Ich habe keine Ahnung oder Ich weiß es nicht sagte.
    Das ist auch nichts zum Wissen! rief Erik verzweifelt aus. Das ist keine Wissensfrage! Wonach ich dich frage, ist deine Meinung !!!
    Scht. (Maya).
    Warum schreist du so, mein Junge, tut dir was weh? (Alegria im Vorbeigehen.)
    Inzwischen hatte Abel sich schon zurück zu Omar gewandt, und damit war die Diskussion gestorben. Als gäbe es mich gar nicht. Erik setzte sich in den Sessel neben den Getränken und murmelte vor sich hin: Unverschämtheit! … Unverschämtheit!
    Mercedes: fragender Blick.
    Maya: winkte ab.
    Mercedes sah zu ihrem eigenen Mann. Nichts. Hört dem Jungen zu. Doch sein Gesicht, jetzt sehen wir sein Gesicht, und Mercedes würde es das erste Mal so beschreiben: traurig. Die Augen sind gerötet. Gesoffen oder geweint? Der Computer? Der Test? Links von ihm sitzt unbemerkt Tatjana und tut so, als würde sie Madmax und nicht den beiden gespannt zuhören. Also, Russisch war das nicht …
    Mercedes setzte sich zu Erik auf die Stuhllehne. Als müsste man jetzt über die Arbeit sprechen. Wie dieses oder jenes Telefonat