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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Gedanken der unbekannten Beamtin wie auf einem weißen Blatt in schwarzer Schrift vor sich sah, schaltete sich ein.
    Sie spielte, dass er das bewunderte Genie ist und sie seine Bewunderin. Er, entweder, weil er das Spiel begriffen hatte, oder zufällig, schenkte ihr ein gütiges, geschmeicheltes Lächeln. Die unbekannte Beamtin musste zugeben, dass das sehr echt gewirkt hatte. Was im unbekannten Beamten vor sich ging, weiß man nicht. Ehrlich gesagt, wirkte er dumm. Seiner Kollegin sah man das Hin- und Hergerissensein an. Ihm ebenfalls verfallen oder die junge Frau vor ihm warnen?
    Seit wann kennen Sie sich?
    Sie: Seit sieben Jahren.
    Er: Eigentlich (Pause, er wartet, bis er jedermanns Aufmerksamkeit hat, jetzt kommt die Pointe) sahen wir uns das erste Mal vor über zehn Jahren. Es war an meinem ersten Tag in diesem Land.
    Ja, das stimmt. Aber nur ganz kurz.
    Trotzdem habe er sie gleich wieder erkannt.
    Sie lächelte.
    Wer hat dieses Rasierwasser ausgewählt: Sie oder Sie?
    Er, lächelnd: Um meine Körperpflege kümmere ich mich selbst.
    Dementsprechend interessiert er sich auch nicht für die Kosmetika seiner Frau. Über ihre Kindheit, Vater, Mutter, Freundeskreis und ihre Arbeit hingegen weiß er Bescheid.
    Welche Kleidergröße hat Ihre Frau?
    Mit liebenswürdigem Lächeln: 32/34. Das ist übrigens dieselbe Größe, die auch der Junge trägt.
    Verstehst du dich gut mit deinem Stiefvater, hm?
    Das Kind, ernst, hochnäsig: Wir sind verwandte Seelen.
    Als hätte sie bei diesem Satz gefröstelt. Sich nun direkt an sie wenden:
    Wie würden Sie Ihre beider Beziehung charakterisieren?
    Er (lässt sie nicht zu Worte kommen): Von Anfang an… (Wieder die Pause, alles schaut gespannt, er setzt neu an:) Es war Liebe auf den ersten Blick.

    Mit einem Mal könnte ich platzen vor Wut. Die Anspannung der vergangenen Tage. Zum einen. Und dann sagt er so was. Sie standen im Flur, eine kleine Familie, den Jungen in die Mitte genommen, und winkten den Beamten förmlich nach, wie dem hinausziehenden Zug mit den lieben Großeltern, der Mann legte einen Arm um die Schulter der Frau, die andere Hand auf die des Jungen. Dann ging die Tür zu, er nahm beide Hände weg, schaltete die Lichter aus und kehrte ohne Übergang in den Sparbetrieb zurück. Oh, dieses wohl bekannte melancholische Schweigen! Wäre das eine echte Beziehung, gäbe es auch nur die allerkleinste Intimität zwischen uns, gäbe es jetzt eine schöne Szene. Was soll das? Hä? Was soll dieses Theater?! Aber sie, Mercedes, war so aufgebracht, dass sie kein Wort herausbrachte.
    Ob die unten in einem Auto sitzen und den Eingang beobachten, ob du auch wirklich hier bleibst? fragte Omar.
    Klug ausgedacht, Kleiner, lass uns noch ein wenig Ehe spielen, Sandkuchen essen. Nach so einem Erlebnis bleiben die Menschen zusammen, machen Licht, drehen den Wasserhahn auf, decken den Tisch. Lass uns sage und schreibe weitere zwei Stunden zusammen bleiben, die Erwachsenen größtenteils schweigend, bis es dunkel wird.
    Jetzt bin ich aber müde, sagte Omar. Zu Abel: Bringst du mich ins Bett?
    Er brachte das Kind, das man lange nicht mehr ins Bett bringen muss, ins Bett. Mercedes, im Wohnzimmer, hörte sie etwas reden. Erzählt er ihm eine Gute-Nacht-Geschichte? Omar ist an Märchen nicht interessiert. Wahre Geschichten!

    Was ist wahr? fragte einmal Alegria listig.
    Das weiß ich nicht, sagte Omar. Das weiß man dann schon. Er erzähle ihm lauter wahre Geschichten, behauptete Omar.
    Erzählst du mir eine davon?
    Die kann man nicht erzählen. Es sind alltägliche Dinge. Er geht spazieren.
    Er geht gerne spazieren?
    Ob gerne, weiß ich nicht. Er geht spazieren. Meistens nachts.
    Er geht nachts spazieren?
    Wenn er nicht schlafen kann.
    Kommt das häufig vor?
    Das weiß ich nicht.
    Er geht also spazieren.
    Ja.
    Und weiter?
    Trifft manchmal Leute.
    Was für Leute?
    Zum Beispiel welche, die Autos kaufen wollen.
    Autos? Nachts?
    Ja.
    Und das glaubst du?
    Ja.

    Er brachte das Kind ins Bett, kam zurück ins Wohnzimmer. Eine kleine Lampe leuchtete, sonst war es dunkel. Setzt du dich noch für einen Moment? Die Lampe so drehen, dass sein Gesicht beleuchtet wird, oder nein, einfach so weitermachen mit dem Verhör.
    Es ist vielleicht schon zu spät, das zu fragen, sagte sie. Aber gibt es etwas, das ich noch wissen sollte?
    Er glaube es nicht.
    Pause.
    Hast du inzwischen Nachricht von deinem Vater?
    Nein.
    Pause.
    Wie geht es deiner Mutter?
    Erträglich, würde ich sagen.
    Sagt es ohne jede Regung. Wieso

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