Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
Vom Netzwerk:
sieht schon so aus.
    Das ist eine Lüge! Ich beschäftige mich ausschließlich mit dem Handel von Artefakten und Epheben. In den Ruinen gefallener Städte siebe ich den Sand. Die Zähne werfe ich weg, die Münzen klaube ich heraus. Abgesehen davon geht meine sexuelle Orientierung niemanden etwas an.
    Nun, unter Umständen kann der Umstand, dass der Delinquent ein Kinderficker ist, durchaus von vorentscheidender Relevanz sein, egal, ob in Wort, Tat oder Versäumnis.
    Wenn man’s so betrachtet, wäre jeder schuldig. (Ich lache.) Das ist doch lächerlich!
    Wollen Sie etwa leugnen, an Massenvergewaltigungen teilgenommen zu haben?
    Das leugne ich allerdings! Bei uns sind alle freiwillig dabei! Mehr noch, ich war sogar freiwillig nicht dabei! Ich war nur der Zuschauer! Nur der Zuschauer!
    Das spielt keine Rolle. Mitgegangen, mitgehangen.
    Häufig lässt sich die Einzelschuld hinterher nicht mehr klären, dann sind es eben alle gewesen, oder wenn das nicht geht, weil es einfach zu viele waren, bleibt es eben am Einzelnen hängen. Dieser kann auch willkürlich gewählt sein, siehe das Beispiel des Sündenbocks.
    Wir werden dich in die Wüste jagen. Na, wie gefällt dir das, Schlappschwanz?
    Der das sagt, sitzt rechts von der Mitte. Ein schlanker Körper in einer Uniform. Über seiner wulstigen Oberlippe erster Bartwuchs. Ich verabscheue dich, gleichzeitig bin ich auch froh. Dass du noch lebst und es offenbar einen Platz für dich gibt, wenn du dafür auch den Verrohten geben musst. Der Mittlere spielt dafür den mutmaßlich weisen, auf alle Fälle höflichen alten Protestanten, übertreibt es auch ein wenig, bedankt sich für jeden Scheiß, der Linke ist der sarkastische, selbstgerechte Hund. Keine sehr originelle Aufstellung, aber was kann man machen. Das unsichtbare Publikum lacht natürlich.
    Gratuliere, sage ich vornehm. Auf die Fortpflanzungsorgane zu zielen, ist immer eine sichere Bank. Schade, dass es nicht besonders elegant ist.
    Einzelne Buh-Rufe, Pfiffe aus dem Publikum.
    »Und sie sagten, ich solle ihm die Hoden abbeißen, und ich biss ihm die Hoden ab.« Das ist also nicht von Ihnen?
    Nein.
    Wie fühlen sich Hoden an, wenn sie einem im Mund herumschwimmen?
    Sie schwimmen nicht. Dafür sind sie zu groß. Durch die Haare ist es so, als würde man ein Stück aus einem Hund herausbeißen.
    Haben Sie schon mal einen Hund gebissen?
    Nein. Umgekehrt auch nicht.
    Haben Sie Angst vor Hunden?
    Ist das relevant?
    Bitte, zu Protokoll zu nehmen, dass der Befragte, genannt: der Götze, die Frage nicht beantwortet hat. Danke.
    Die Wahrheit ist …
    Ja? Wir hören Ihnen zu. Fahren Sie fort. Danke.
    Die Wahrheit ist …
    Ja?
    Die ...
    Ja?
    Sie müssen es anders formulieren, flüstert mir mein Wärter zu. Es ist mein ehemaliger Professor, Mentor und Vorgänger in einer Postuniform. Du bist also auch da.
    Danke, flüstere ich zurück.
    Bitte?
    Ich habe nur danke gesagt.
    Können wir fortfahren? Danke.
    Also, was ich sagen wollte, war: Ich habe nicht gefoltert, ich wurde gefoltert.
    Gemurmel vorne. Fahren Sie fort. Danke.
    Zuerst haben sie nur geredet, aber dann sind sie zu mehreren gekommen und haben mich zusammengeschlagen. Sie haben mir gegen das Schienbein getreten wie das letzte Mal meine Mutter, als sie schon zu klein war, um mich im Gesicht zu treffen. Aber egal. Ich hinke nicht mehr, ich bin nur noch prinzipiell empört.
    Wohnten Sie häufiger solchen sadomasochistischen Handlungen bei?
    Manchmal.
    Brachte es Ihnen Lustgewinn? Mehr als anderes?
    Es war das, was da war.
    Sie haben also nur genommen, was da war.
    So könnte man es auch sagen.
    Wie denn noch?
    Bitte?
    Sie haben gesagt: So könnte man es auch sagen. Wie denn noch?
    Ich bitte darum, auch zu streichen.
    Einverstanden. Danke.
    Vielleicht könnten wir hier eine kleine Pause einlegen und dann einen größeren Sprung machen? Danke.
    Entschuldigung? Könnte ich mich vielleicht, solange die Pause dauert, wie lange dauert die Pause?, könnte ich etwas zu trinken bekommen? Mein Mund ist so trocken. Hinzu kommt, dass ich zwar nicht weiß, wo mein Kreuz ist, aber es tut höllisch weh. Das Steißbein in den Nacken gesessen. Hallo? … Hallo?
    Keine Antwort.
    Zigarette?
    Nein, danke, mein väterlicher Freund und jovialer Wärter.
    Jetzt sieht er wieder eher aus wie mein Schweiger … Korrektur: Schwiegervater. Ich will keine Zigarette. Wasser wäre gut. Schnaps. Heroin. Ein Pilzragout.
    Seltsam, sagt mein Wärter, wie häufig das vorkommt.
    Ich will’s nicht fragen, frage

Weitere Kostenlose Bücher