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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Schwäche und Angst. Sie drehte klappernd einen nahen Stuhl zu sich und setzte sich. Die Wachsfiguren wurden sofort lebendig, rückten näher, ihre Äuglein glänzten freudig, sie redeten unverständlich und schoben ihr Gläser und Flaschen mit Wein und Sodawasser hin. Die Sodawasserflasche gluckerte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
    Ich werde gleich in Tränen ausbrechen. Schöne Szene: Eine aus dem Nichts gekommene Frau klagt alterlos gesoffenen fremden Männern das Leid vom untreuen Geliebten, und obwohl sie ihre Sprache nicht beherrschen, verstehen sie sie, denn diese Sprache ist universell, und sie werden, wenn sie ihr auch nicht helfen können, zumindest ihre Meinung teilen und in ihrer eigenen Sprache auf den Bastard schimpfen, wie es sich gehört, denn selbst so eine verlorene Trinkerexistenz hat mehr moralisches Empfinden als - - -
    Vor dem strahlenden Viereck der Eingangstür gingen zwei Frauenknöchel-Waden-Knie vorbei, alles andere war weggeblendet im weißen Licht. Der Junge draußen im Auto.
    Entschuldigung, sagte Mira und stand auf. Die fremde Zunge lähmte die Männer erneut, sie sahen ihr stumm hinterher.
    Sie fuhren wieder zurück. Als sie aus der Stadt heraus waren, hielt Mira am Straßenrand und urinierte hinter einem Strauch. Abel zählte die Autos, die ihnen entgegenkamen. Tausend, tausendeins.

Eine Frau namens Bora
    Verschwunden, sieben Jahre später, nach Verlassen einer Abiturfeier mit anschließendem Spaziergang: Ilia B.. Abel wartete noch einige Tage, ob sich vielleicht doch etwas tat, dass er oder jemand sich meldete, aber nichts geschah. Ob Ilia überhaupt noch in der Stadt war, weiß man nicht. Schließlich ging auch Abel.
    Er nahm den Zug. Bummelte mit Unbekannten durch unbekannte Provinzen. Schau, wie die Bäume laufen . Manche Dörfer wie festgezurrt zwischen lauter Kabeln. Weil er kaum Geld hatte, nahm er die langsamen Züge, aber sonst verlor er keine Zeit. Er fuhr gleich zum richtigen Bahnhof.

    Es war Sommer, wie damals, der Bahnhof voller orangefarbenen Lichts. Auf zwei Ebenen plus im Untergeschoss standen, kauerten, lagen Menschen zwischen Gepäck, warteten auf eine Abfahrt oder wohnten hier. Vorsichtig, keinen Schlafenden treten, kein Picknick umwerfen, ging Bora zwischen ihnen hindurch, von der Markthalle Richtung Trolley. In Schwällen von den Bahnsteigen kreuzten noch mehr Menschen mit noch mehr Gepäckstücken, sie musste ständig den Schritt wechseln, die reinste Völkerwanderung. Später dachte sie, dass sie womöglich schon eine ganze Weile in denselben Räumen unterwegs gewesen waren, er irgendwo zwischen den Quertreibern, denn es war nicht viel Zeit vergangen, der Einkauf stand noch in der Tüte auf dem Tisch, die Holzpantoffeln, aus denen sie gestiegen war, noch nicht ausgekühlt, als es an der Tür klingelte.
    Sie stand barfuß auf der Schwelle, erster Stock rechts, grüne Tür, kleines ovales Emailschild: Nr. 3.
    Wen suchen Sie?
    Mein Name ist …, sagte Abel. Ich bin der Sohn von …
    Jesus, sagte sie und krümmte die nackten Zehen auf dem Stein.

    Als Erstes setzt man sich vielleicht an den Küchentisch, hier, zwei Schritte hinter der Schwelle, warte, ich stelle die Tüte weg. Durch das Türglas fällt wenig natürliches Licht vom Innenhof herein, reicht gerade bis zum Tisch, an dem sie sitzen, der Rest des schlauchartigen Raumes ist dunkel. In der Tiefe dämmert ein weißer Duschvorhang.
    Es war nicht dieser Vorhang, hinter dem sich Andor damals versteckt hielt. Es war die Kammer direkt neben der Toilette, die Mira benutzte. Er konnte seine Frau urinieren hören. Bora ging zur Arbeit oder einkaufen und tat so, als bemerkte sie den auffälligen himmelblauen Wagen nicht, der einige Häuser weiter auf der Straße stand. Der Junge schien unter der Hitze zu leiden, lag zusammengekrümmt auf dem Rücksitz. Schließlich, als sie zwei Tage später immer noch da waren, als sie sah, wie die Frau die Kellerkneipe betrat, während der Junge im Auto zurückblieb, riss sie die Tür auf und sagte: Verschwinde aus meiner Wohnung.
    Was, sagte Andor, jetzt sofort?
    Verdammt noch mal, sagte Bora.
    Als Andor die Straße betrat, schwankte und blinzelte er in der Hitze. Der Junge auf der Rückbank schloss die Augen. Mira setzte sich auf einen kühlen Stuhl. Als sie wieder aufstand und heraufkam, war die Straße leer.
    Tut mir Leid, sagte der Junge. Dass ich die Augen geschlossen habe.
    Nein, sagte Mira, es tut mir Leid.
    Ob Andor das himmelblaue Auto gesehen hat, weiß

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