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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Deutsch konnte und sie kontrollierte. Von da an waren oft ganze Passagen geschwärzt. Brief siebzehn war, wie ich vermutete, eine kurze Beschreibung, wie es zu den Morden in Babenhausen gekommen war. Davon war Folgendes übrig. Über drei Seiten ging da so:
    Lieber Joachim,
    heute möchte ich Dir von einem Tag erzählen, der mein Leben verändert hat XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. Ich bereue das alles zutiefst.
    Genug für heute,
    Randy
    Erregt hielt ich den Briefbogen gegen das Licht, doch was weg war, war weg.
    Unser erstes Spiel war ein Heimspiel gegen Scottsbluff. Die Tribünen waren brechend voll. Schon während wir uns warm machten und einwarfen, wurde jeder Korb bejubelt. Kurz vor Spielbeginn erhoben sich alle und legten sich die rechte Hand aufs Herz. Auf dem Spielfeld stand im Mittelkreis Jennifer McKee, der Musicalstar der Schule, und schmetterte die amerikanische Hymne ins Mikro. Der Klang der Lautsprecherboxen konnte nicht annähernd das wiedergeben, was Jennifer für alle deutlich sichtbar an Inbrunst in ihre Darbietung legte. Die Anlage war dem Stimmumfang dieser Ausnahmekönnerin in keiner Weise gewachsen. Die Band spielte eine sehr rustikale Interpretation der Hymne. Die Bläser hatten gut zu tun. Auch ich war aufgestanden, auch ich hatte meine vom vielen Training schwielig gewordene Hand auf dem Herzen. An der Seitenwand der Sporthalle wurde die Flagge gehisst. Ich kannte Jennifer aus meiner Englischklasse, sie war ein freundliches, bescheidenes Mädchen, und ich war erstaunt, wie weit sie den Mund aufreißen konnte. Sie trug ein weißes Kleid, das vor der Brust und an den Ärmeln von Rüschen zu explodieren drohte, und war nun ganz Stimme, ganz Ausdruck geworden. Ihr letzter, lang gehaltener Ton verhallte ergreifend und versiegte knisternd im Rauschen der Lautsprecher. Jubel brach aus und die Cheerleader stürmten auf den Platz. Sie hüpften, stießen ihre Glitzerpuschel in die Luft und grinsten auch noch beim Spagat. Wir Spieler saßen in der ersten Reihe in unseren Trainingsanzügen direkt vor den wirbelnden Mädchen. Sie kletterten sich auf die Schultern und bauten eine Pyramide. Jerry rammte mir seinen Ellenbogen in die Seite und gab mir mit einem Augenzwinkern einen Wink. Ich verstand nicht, was er meinte. Er flüsterte: »Pussyparade!« Ich sah hoch, und tatsächlich, direkt über mir eine Reihe gespreizter Beine. Und darüber noch eine. Und darüber noch eine. Das Mädchen vom Gipfel ließ sich rückwärts fallen. Genauso schnell, wie sich der Mädchenturm aufgebaut hatte, flog er wieder auseinander.
    Coach Carter gab uns ein Zeichen. Unauffällig verließen wir die Halle und warteten in einem Gang. Carter hatte schon im letzten Training die Startformation bestimmt. Ich war nicht dabei. Wir bildeten einen Kreis. Draußen in der Halle war ein Trommelwirbel zu hören. Coach Carter rief: »Who are you?« Wir riefen zurück: »We are the Plainsmen.« Wieder rief er, nun schon lauter: »Who are you?« Wir brüllten zurück: »We are the Plainsmen.« Und noch ein drittes Mal, so laut, dass ich die Vibrationen im Bauch spüren konnte: »WHO ARE YOU ?« »WE ARE THE PLAINSMEN !« Dann wieder der Trainer: »And what are we going to do?« Wir antworteten leise und verschwörerisch: »We kick ass!« Alle streckten ihre Hände aus und legten sie aufeinander. Coach Carter sah in die Runde und durchschlug diesen dreißighändigen gordischen Knoten der Verschworenheit mit der Faust. Er rief: »Let’s go!«, und wir joggten locker auf den Halleneingang zu. Einer nach dem anderen wurde von den Cheerleadern aufgerufen. Wir hatten alle Spitznamen oder richtiger, Kampfnamen bekommen. Ich hieß leider nicht nur im Basketball, sondern mittlerweile auf der ganzen Highschool The German. Jerry wurde The Fridge genannt wie refrigerator, Kühlschrank, da er so breite Schultern hatte und eiskalt im Verwandeln von Freiwürfen war. Benny Wiseman hieß Max Factor, keine Ahnung, warum, und sein Bruder Blake Shy Tiger. Ich hörte, wie mein Name gerufen wurde. Der Hallensprecher, auch ein Schüler, sagte: »And here comes a new guy! Be aware of him. We call him Theeeeee Germannnn!!!!!« Ich rannte aus dem Gang, eine kleine Rampe hoch, und

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