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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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sah das Meer heraufrasen.
    Mary, Mary, zu blendend, saugend, zu spät, raus, lauern Gefängnisgitter, beten, oh, beten, Rasse, von unsterblichen Fischen, kalt, brennend; Gott bevor du zu alt wirst, eingesperrt, ausgesperrt, Mary, Walter, von Ohr zu Ohr, meine Unsterblichkeit hängt ab von ihrer Sterblichkeit, die Luke, muß die Luke niemals sterben…

Komisches Inferno
     
     
     
    January Birdlip breitete mit charakteristischer Gestik die Hände aus.
    »Nun ja, ich bin ein liberaler Mensch, und das war eine sehr liberale Party«, rief er, während er tiefer in die Wagenpolster sank. »Was meinen Sie, mein lieber Freund? Sind Sie genügend gesättigt?«
    Sein Partner, der unerhörte Freddie Freud, nahm für die Antwort geraume Zeit in Anspruch, hauptsächlich wegen der umfangreichen Brünetten, die ihn in einer fröhlichen Umarmung in das Auto preßte.
    »Vershoyes Parties sind besser als seine Bücher«, räumte er endlich ein.
    »In ganz Paris gibt es keinen Verleger, der das mit mehr Stil macht«, fuhr Birdlip fort. »Und seine neue Serie über das zweiundzwanzigste Jahrhundert lohnt eine stilvolle Einführung wirklich, finden Sie nicht, Freund Freddie?«
    »Das ist nicht die Zeit für intellektuelle Diskussionen. Vergessen Sie nicht, daß wir die Kleine nur bis Calais mitnehmen.« Und damit grub sich Freud mit dem Eifer eines Totengräberkäfers zurück unter seine brünette Dame.
    Birdlip blickte nicht ohne Neid hinüber zu seinem jüngeren Teilhaber. Obwohl er versuchte, seine Gedanken auf die abwesende Mrs. Birdlip zu richten, überkam ihn ein Gefühl der Einsamkeit. Mit beschwipster Feierlichkeit sang er vor sich hin: »Da war ein Mann im Dezember, der fragte sich, wie war’s im September, als Mädchen mich küßten ganz heiß – «
    Er befeuchtete die Lippen und starrte durch die Trennscheibe auf Bottom und Hippo, seinen und Freuds ›Personal-Romen‹, die auf den Vordersitzen saßen, auf die dunkle französische Landschaft, die vorbeischlich, und wieder auf die Brünette, bevor er sein Lied zu Ende sang: »›und umkränzten manch Glied mir mit Fleiß.‹« Dann begann er laut zu reden, ohne Rücksicht darauf, ob Fred antwortete oder nicht. Es war das Vorrecht schon alternder kultureller Verleger, exzentrisch zu sein.
    »Ich fand es tröstend, daß auch Paris seine Roboter- und Romen-Schwierigkeiten hat. Sie haben Vershoye von einem Spielkasino erzählen hören, das überflutet wurde, weil das Roboterlöschfahrzeug auftauchte und einen Brand löschte, den es gar nicht gab…? Irgendwo ist immer ein Körnchen Trost zu finden, mein lieber Freund; angenehm, sich vorzustellen, daß unsere französischen Brüder unser Leid teilen! Und Ihre stattliche Freundin: ihr Roboterchauffeur steuerte ihren Wagen durch einen Zeitungskiosk, so daß sie uns bitten mußte, sie mitzunehmen, ihr Mißgeschick damit in Ihren Vorteil verwandelnd…«
    Aber das Wort ›Mißgeschick‹ erinnerte ihn an seinen Bruder Rainbow Birdlip, und er versank in Schweigen, während die Einsamkeit auf schweren burgundischen Füßen zurückkam.
    Ah, ja, vor zehn, ja, noch vor fünf Jahren waren die Gebrüder Birdlip einer der geachtetsten Verlagsnamen in London gewesen. Und dann… kurz, nachdem er die ersten vier Titel der Reihe Vorherwissenschaft zum Druck gebracht, hatte Rainbow sich verändert. Über Nacht gewandelt! Jetzt war er Freiluft-Bauer in der Nähe von Maidstone und arbeitete wie ein Roman mit den Händen auf den Feldern, ganz ohne kulturelle oder finanzielle Interessen.
    Der Gedanke schnürte January Birdlip die Kehle zu. Dieser brillante Intellekt verloren an die Schweinezucht! Er versuchte sich in die Trunkenheit zu flüchten und begann wieder zu singen.
    »›als Mädchen mich küßten ganz heiß – ‹«
    Aber ihre Limousine wurde langsamer, als sie den äußeren Calais-Ring erreichte, wo eine Straße in die Stadt und die andere auf die Kanal-Brücke führte. Der Roboterchauffeur hielt am Straßenrand, wo ein die ganze Nacht geöffnetes Café sich mit grellen Lichtern gegen die ersten Anzeichen der Morgendämmerung wehrte. Fred Freud hob den Kopf.
    »Verflixt, wir sind schon da, Schnippelchen!«
    »Vielen Dank für die schöne Fahrt«, sagte die Brünette, schüttelte ihre Anatomie zurecht und öffnete die Tür. »Sie war sehr bequem.«
    »Mademoiselle, erlauben Sie, daß ich Sie zu einem Kaffee einlade, bevor wir uns für immer trennen, und dann kann ich mir Ihre Rufnummer aufschreiben… Dauert keine fünf Minuten, Jan.«

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