Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
maoistische China in der Auseinandersetzung mit der UdSSR in aller Welt nach Bündnispartnern suche, und zwar ohne ideologische Scheuklappen.
»Ach, und aus diesem Grund paktiert China mit den chilenischen Faschisten?« fragte Hermann.
Wir müßten das Ganze mal aus der Warte der Chinesen betrachten, sagte der Glutpullover. Zwischendurch knöpfte er dem Holzmüller fünfzig Pfennig für eins der kommunistischen Traktate ab, und dann verwahrte er sich gegen den Einwand eines anderen Schülers, der gesagt hatte, daß eine Revolution gar nicht notwendig sei, weil es doch einen Grundgesetzartikel gebe, der die Enteignung privaten Eigentums erlaube, wenn das im öffentlichen Interesse liege: »Ja, aber dieses Gesetz wird nur gegen kleine Leute angewandt, deren Grundstück bei einem Autobahnbau im Wege ist, und nicht gegen die Großindustrie ...«
Hermann wollte es dann noch einmal wissen: »Ihr seid also dafür, daß China den Faschisten in Chile Waffen liefert, hab ich das richtig verstanden?«
Der Glutpullover wollte, wie es schien, zu einer längeren Antwort ausholen, doch da mischte sich von hinten plötzlich der Direktor ein, Herr Berthold, mit der Zwischenfrage, was das denn hier eigentlich für ein Zirkus sei. »Meine Herren, Sie befinden sich auf einem Grundstück, wo die Werbung für politische Parteien verboten ist, ganz egal welcher Provenienz! Verlassen Sie bitte das Schulgelände, und zwar sofort, bevor ich mich dazu genötigt sehe, die Polizei zu benachrichtigen und Anzeige gegen Sie zu erstatten! Im übrigen behindern Sie auch hier den normalen Ablauf des Schulunterrichts!«
Es hatte schon vor einiger Zeit zur dritten Stunde geschellt.
Die Revolutionäre vom KBW murrten, doch sie beugten sich der Gewalt und packten nach und nach ihre Auslagen ein.
»Den stellen wir dann auch noch an die Wand«, hörte ich den Glutpullover sagen, bevor der Direx uns in die Unterrichtsräume zurücktrieb.
Verbohrt seien diese Heinis gewesen, sagte Hermann hinterher. Denen glaube er kein einziges Wort von ihrem angelernten Politchinesisch. »Was wollen die denn bezwecken? Sollen wir darüber jubeln, daß die Chinesen den Chilenen bei der Unterdrückung der Arbeiterklasse helfen?«
Ich mußte an das eine Lied von Reinhard Mey denken, wo er gesungen hatte, daß er lieber harzig, warzig und grau werde, bevor er mit den Wölfen heule:
Und mir fehlt, um öde Phrasen,
Abgedroschen, aufgeblasen,
Nachzubeten jede Spur von Lust.
Und es paßt, was ich mir denke,
Auch wenn ich mich sehr beschränke,
Nicht auf einen Knopf an meiner Brust!
Das ging gegen Buttons. Hätte ich mir auch nicht gern an die Brust geheftet, die Dinger.
AKW – nee!
Oder auch:
Legalize it!
Da fiel ich doch lieber ohne Etikett ins Bett.
Im Deutschkurs hatte mich ein Mädchen durchdringend angesehen. Nur fünf oder sechs Sekunden lang, doch die hatten schon gereicht, um mich durcheinanderzubringen.
Annette Spengler.
Nein, nein, nein, dachte ich. Die ist zu dick.
Okay, so dick war sie nun auch wieder nicht. Da gab es dickere Mädchen, und von denen hatte keins so traumhaft braune Augen wie Annette Spengler. Und ihr Mund ... Das mußte man anerkennen: Annette Spengler hatte einen wunderschönen Mund, der wie zum Küssen geschaffen war, ganz anders als beispielsweise die schmallippige Schnute des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth. Und was war mit meiner Liebe zu Michaela Vogt?
Um diese Liebe war es geschehen, als ich sah, wie Michaela auf dem Schulhof dem Niebold einen Kuß gab. Dem Niebold! Dem dümmsten Primaten auf Gottes Erde! Igitte! Wenn der an Michaela Vogt herumschlabberte, wollte ich dieses blöde Persönchen bis an mein Lebensende nicht wiedersehen.
Aus. Aus! Es war aus zwischen Michaela Vogt und mir. Für immer.
Sollte sie doch zusehen, die dumme Kuh, wie sie mit dem Niebold klarkam. Ich hätte ihr den Himmel auf Erden erschaffen, aber wenn sie nicht wollte, na gut! Dann sollte sie sich doch mit dem Niebold verlustieren und nachher mal zusehen, wie es wäre, Säuglingen mit dessen Fresse die Brust zu geben. Hahaha! Das wäre ja der größte Witz, beim Klassentreffen in zehn Jahren: Ich als Casanova und Michaela Vogt als entnervte Hausfrau, die das Leben mit dem bierigen Widerling Niebold unerträglich fände.
»Und was machst du jetzt so?« würde sie fragen.
»Och, mal dies und mal das ... ich bin oft bei Filmfestspielen, als Reporter, aber ich schreibe auch Drehbücher ... nächste Woche hab ich einen
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