Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
annehme, daß die Schülerzeitung schockierend wirke, der lasse außer acht, daß auch jüngere Schüler längst ganz andere Darstellungen gewohnt seien.
Dagegen wurde eingewandt, daß die Pornographie in der Schule tabu bleiben müsse. »So oder so!«
Was die nur immer hatten? Man hätte meinen können, daß es in der Schülerzeitung Pin-up-Girls zu sehen gebe.
Das war mir auch nicht an der Wiege gesungen worden, daß ich mal auf ’ner Gesamtkonferenz über sexuelle Fragen streiten solle.
»Was sind denn Ihre Beweggründe?« fragte ein Lehrer, dessen Namen ich nicht kannte. »Und was glauben Sie, wen Sie repräsentieren?«
»Die schweigende Mehrheit«, sagte ich und erntete Gelächter, was den Grewitz noch wütender machte. Vor der Abstimmung beantragte er abermals unseren Rauswurf, aber ohne Erfolg.
Ergebnis: 58 Stimmen für den Brief, fünf contra und sieben Enthaltungen.
Axel wollte hinterher ins Bauhaus, weil er die Stadtschänke »zu bürgerlich« fand.
»Junge«, sagte Hermann, »du hast keinen blassen Dunst! Die Stadtschänke ist die Hochburg der Meppener Arbeiterklasse!«
Die anderen wollten aber auch alle zum Bauhaus.
Für die Galanummern der Konferenz hatte der Grewitz gesorgt. Darin waren wir uns einig.
»Aber dessen Schnäuzer ankucken zu müssen, das ist auch nicht gerade schön für ’ne Frau«, sagte Heike.
Daran schloß sich ein Streit über die Frage an, ob der Grewitz nicht vielleicht deshalb so schlecht drauf sei, weil er seine eigene Sexualität verleugne.
Das sei doch sonnenklar, meinte Andreas. »Mit Gina Lollobrigida als Freundin wäre der bestimmt nicht so ’n verdrehter Miesepeter!«
Am wenigsten sagten Thomas und Mona. Die waren eben noch nicht so lange dabei.
Heike und Astrid zog es danach in die Discothek Nightfever. Mich nicht. Ihilefi-gitthittlefitt!
Vor der praktischen Führerscheinprüfung kam erst noch die theoretische – morgens um zehn vor sieben! –, aber die war leicht, und bei der praktischen wollte der Wesel Handzeichen machen, vom Beifahrersitz aus, so daß der hinten rechts plazierte Prüfer die nicht sehen konnte: Blinker anstellen, Tempo steigern oder drosseln, höherer Gang, niedrigerer Gang und so weiter.
Leider dirigierte mich der Prüfer immer dichter zum Kreisgymnasium hin, und genau da sollte ich einparken und ausparken, zwischen den Lehrerkarren. Bloß keinen Fehler machen beim Rückwärtsfahren! Linker Außenspiegel, rechter Außenspiegel, Rückspiegel, Lenkrad einschlagen, über die Schulter kucken, Kupplung kommen lassen …
Millimeterarbeit.
Ich hatte bestanden. Damit eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten: Ich konnte Taxifahrer werden. Oder Kurier. Oder Chauffeur. Beleibte Großindustrielle herumkutschieren und aushorchen und deren Geheimnisse an die IG Metall verraten. Zwingend vorgeschrieben war mir nur das Tragen einer geeigneten Brille beim Fahren.
Vom neuen Haus aus gelangte man über die Bokeloher Straße auf einen Weg, der zur Hase führte. Die schlängelte sich da so hin, zwischen Weiden und Nadelgehölzen, und mir fiel ein Wortspiel ein: Mäandertal. Das paßte wie die Faust aufs Auge.
Ronald Reagan hatte sich ein Rüstungsprogramm in Milliardenhöhe vorgenommen, und der neue amerikanische Verteidigungsminister Caspar Weinberger wollte die Neutronenbombe in Europa aufstellen.
Auf der anderen Seite gab’s den sogenannten Krefelder Appell an die Bundesregierung, ihre Zustimmung zur Stationierung von Pershing- II -Raketen und Marschflugkörpern zurückzuziehen. Diesem Appell konnte sich jeder durch seine Unterschrift anschließen.
Hermann weigerte sich: Erstens halte er’s für äußerst unwahrscheinlich, daß sich die Atomkriegsstrategen im Pentagon davon beeindrucken ließen, und zweitens werde er den Verdacht nicht los, daß dieser Appell vom KGB lanciert worden sei. »Vom Iwan höchstpersönlich! Um uns von seinen SS -20-Raketen abzulenken! Und da spiele ich nicht mit. Oder sehe ich etwa wie die fünfte Kolonne Moskaus aus?«
Am Nachmittag kaufte ich ein Sechserpack Bier und radelte nach Esterfeld, um Heike zu verführen, aber daraus wurde nichts. In ihrem Zimmer saß sie mürrisch auf der Matratze und starrte ins Leere.
»Is’ irgendwas?«
»Nee … oder doch … weiß nich’ so genau …«
»Willst du ’n Bier?«
»Nee.«
Dann wollte ich auch keins, aber weiter stur dahocken wollte ich auch nicht. Also fragte ich nach: »Was issen los mit dir?«
»Gar nix … irgendwie echt gar nix im Moment … aber mit dir
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