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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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fragte mich: »Biste Lehrer oder watt?«
    Von großem Übel war die dieselmotorige nächtliche Schnarcherei und von noch größerem die morgendliche Volksversammlung im Sanitärbereich. Erstens mal war kein einziges Klo frei, zweitens kein Waschbecken, drittens hatte man sich fundamental in der Tür geirrt, wenn man niemanden gurgeln, prusten, pissen, kacken oder pupen hören wollte, viertens ekelte ich mich vor den Käsebäuchen, den Pickelärschen und dem faltigen Gehänge der anderen Männer, und fünftens hing ein schandbarer Bierschißgestank in der Biosphäre. Saß man aber sechstens endlich selber auf dem Klo, dann kam man nicht umhin, sich an dem fäkalischen Platzkonzert zu beteiligen. Ich zog es vor, die anfallenden Geschäfte zeitlich zu verschieben.
    Selcke, der Wicht aus Stadtlohn, grabschte sich meine Rasierseife und hielt sie hoch: »Ey, Leute, habt ihr sowas schomma gesehn?«
    Damit löste er ein Lachgewitter aus. Und das nur, weil ich den Seifenschaum nicht von oben, sondern seitlich abzupinseln pflegte, wodurch sich die Rasierseife der Form eines Stalagmiten angenähert hatte.
    Für Aufsehen sorgte auch meine bis zu den Schultern reichende Matte.
    In der Kantine pfiff ich mir ’ne Tasse Kaffee und zwei Marmeladenbrötchen rein und suchte dann nach einem einigermaßen abgeschiedenen Pott. Es gab aber keinen. Ich mußte mit einer der Massenschüsseln vorliebnehmen, und weil ich dabei trödelte, versäumte ich die Ausgabe der Trainingsanzüge und hatte die Ehre, als einziger in Zivil zum Truppenarzt zu marschieren, im Gleichschritt, mit dem 1. Zug, wobei ein Obergefreiter nebenhermarschierte und die Taktangaben brüllte: »Links! Zwo! Drei! Vier!« In dessen Version blieben allerdings nur die Vokale übrig: »Iiii! Oooo! Aiii! Iiii!«
    Wie im Irrenhaus.
    Und schon wieder wurde einem ’ne Urinprobe abverlangt.
    Am Nachmittag marschierte der ganze Verein zur Einkleidung.
    »Iiii! Oooo! Aiii! Iiii!«
    In der Warteschlange durfte man die Hände nicht in die Hosentaschen stecken. Was die Oberste Heeresleitung mit diesem Verbot bezweckte, wurde nicht verraten. Krause, ein Spaßvogel aus der 2. Gruppe, schätzte es als »Präventivmaßnahme gegens Eierkraulen« ein.
    Die Klamottenausgabe dauerte ewig. Uniformteile, kurze Unterhosen, lange Unterhosen, Strümpfe, Stahlhelm, Parka, Klappspaten, Kampfstiefel, Seesack, Taschentücher, Mückennetz …
    Und dann zurück, marsch, marsch: »Iiii! Oooo! Aiii! Iiii!«
    Die Kopfbedeckung, hieß die nun eigentlich Schiffchen oder Barett?
    Für das Einsortieren der Sachen in den Spind gab es genaue Direktiven, die irgendein Pedant im Verteidigungsministerium ausgetüftelt haben mußte. Es sei denn, diese Richtlinien fußten noch auf der Haager Landkriegsordnung.
    Die Innenseiten der Spindtüren des Sanitätssoldaten Selcke zierten Farbfotos lasziv in die Kameralinse blinzelnder Schnecken aus Wichsblättern wie Wochenend , Praline und Schlüsselloch . Zeigefingerstiel im Mündchen, Bluse offen, Beine auseinandergefaltet und die Schamlippen wegretuschiert.
    Dehnert: »Und darauf pellste dir einen ab?«
    Selcke: »Quatsch, ich hab doch meine Perle, Mann! Den Appetit, den hol ich mir woanders, aber gegessen wird zuhause!«
    Hauptmann Focke, der Kompaniechef, hielt eine Rede ans Volk: Er sei Soldat aus Überzeugung, und wer Sorgen habe, der könne jederzeit zu ihm kommen. »Jederzeit! Das meine ich ernst! Aber bitte nicht, wenn Ihnen nur ein Furz an der Magenwand kreist!«
    Sprach der so wohl auch mit seiner Frau? Und seinen Kindern? Oder mit dem General Schlambambes? Oder war dieses rotzlöffelige Vokabular für die Rekruten reserviert? Als Vertrauensbeweis?
    »Bei auf zu«, wie man so sagte, gab es einen schriftlichen »Wegweiser für die Bundeswehr« mit Besinnungsaufsätzen.
    Unser Staat ist also »in guter Verfassung«. Gewiß ist manches verbesserungsbedürftig. Daß dies so ist, liegt jedoch nicht an der staatlichen Ordnung – denn die Grundordnung unseres Staates ist nicht starr, Reformen und Fortschritt haben freie Bahn, es liegt eher an den Bürgern.
    Der Bedeutungsgehalt dieser Zeilen wurde mittels einer Zeichnung veranschaulicht: Zwei Männeken taxieren den Arsch einer langbeinigen Blondine im Minirock, die ihre noch etwas mageren Hüften schwingt. Dazu der Dialog:
    »Alles dran …«
    »Ja – muss sich nur noch etwas entwickeln.«
    Das Kantine war zweigeteilt: eine lärmige Abteilung für die Neuzugänge und eine davon abgeschottete für die höheren Ränge.

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