Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
elterlichen Wohnstubensofa, und weil Heike schon am zweiten Feiertag wieder abfahren wollte und ich meinen Dienstplan nicht im Kopf hatte, mußten wir auf unbestimmte Zeit voneinander Abschied nehmen.
In der Dammstraße kreiste eine Flasche von Renates selbstgemachtem Eierlikör. Zu dem Gesprächsthema, das gerade dran war – Diätkuren, Hüftspeck und Verdauung –, steuerte ich die Weisheit bei, daß Tiere, die sich auf natürliche Weise ernährten, ein sauberes Hinterteil hätten, aber da verdrehte Papa die Augen und fragte, ob ich mir jemals mit Verstand das Hinterteil von ’ner Kuh angekuckt hätte. »Dann würdest du hier nicht solche unhaltbaren Thesen vertreten ...«
Mama führte ein langes Telefonat mit Tante Therese und faßte anschließend deren Äußerungen zusammen: An Heiligabend sei eine große Party bei ihr gestiegen; in Basildon liege hoher Schnee; Norman wohne immer noch bei ihr; Anfang Januar beginne ein Streik bei Ford, den Kims Gemahl Roman mitmachen müsse, obwohl die beiden sich solche Sperenzien gar nicht leisten könnten; Lisa habe sehr viel von Renate, wenn man sich die Bilder so ansehe; Therese stellte jetzt Diskussionsrunden zusammen, die bei ihr im Wohnzimmer tagten, und nebenbei lege sie Geld für einen Urlaub in Amerika zurück.
In der Zeitschrift Akzente fand ich nicht viel Lesenswertes. Ganz possierlich war ein Gedicht von Herbert Achternbusch:
Ich bin ein Olm von Laibach,
mein Vater war ein Olm von Laibach.
Ohne Verwandte, unter den Verwandten
waren keine Musikanten.
Soweit die erste Strophe. Nun die zweite:
Die uns erkannten, nannten
uns Olme von Laibach.
Wir spielten nie Schach.
Den neuen Römertopf weihte Mama am zweiten Feiertag mit einem Lammbraten ein. Der schmeckte infernalisch gut. Doch andererseits: ein Lämmchen fressen? Das vor kurzem noch auf einer Wiese rumgehüpft war? Und noch gar nicht richtig gelebt hatte?
Im Bereich des Möglichen lagen beim DRK auch 24-Stunden-Schichten ohne die geringsten Vorkommnisse. Man hätte in der Arbeitszeit glatt ’n Fernstudium hinlegen können.
An Vorkommnissen mangelte es aber auch in der Freizeit. Vor lauter Langeweile spazifizierte ich manchmal sogar zur Hase, wo allerdings erst recht nichts los war.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht …
Was Gott wohl intus gehabt hatte, als er das Emsland schuf? Mariacron? Oder was Härteres?
Beim abendlichen Wohnzimmergehocke mokierte sich Papa darüber, daß ich einmal irrtümlich »Pädagogie« gesagt hatte statt »Pädagogik«. An solchen Fehlerchen konnte er sich hochziehen wie ein Athlet an der Klimmstange.
Er baute dann ein Stativ auf, um den Weihnachtsbaum zu fotografieren, und Mama lenkte das Gespräch irgendwie auf die friesische Frühgeschichte. Jever habe mal an der Küste gelegen. Das gesamte Festland nördlich von Jever hätten die Friesen der Nordsee abgerungen, und so manches alte Kirchspiel sei dagegen im Jadebusen versunken.
Von der Strebsamkeit der Friesen verlagerte die Unterhaltung sich dann auf das Wirtschaftswunder. »Das kam aber auch nicht von heute auf morgen, sondern weil ein ganzes Volk jahrelang krummgelegen hat!« sagte Papa. Richtig aus dem Boden geschossen seien die Häuser erst in den Sechzigern.
Und auch damals sei nur eine Minderheit, wie Mama ergänzte, auf Rosen gebettet gewesen. Wenn sie allein an die Prozesse denke, die Papa wegen seiner Tuberkulose gegen die Stadt Hannover und das Landesversorgungsamt geführt habe! Die Krankheit hätte zeitiger erkannt und auch als Kriegsfolgeschaden anerkannt werden müssen, weil er sich die ja in der russischen Gefangenschaft geholt habe. »Ich weiß noch gut, wie Papa mir nach allen diesen pingeligen Schriftsätzen mal einen geharnischten Brief ans Gericht in die Maschine diktiert hat. Rotzfrech! Nicht um den abzuschicken, das wäre ja selbstmörderisch gewesen, sondern nur zur eigenen Erholung. Den müßten wir sogar noch irgendwo haben …«
Leider fand sie diesen Brief aber nicht.
In dem Roman »Dame, König, As, Spion« erging es dem Helden gleich wieder schlecht.
Smiley wurde naß bis auf die Haut, und Gott hatte zur Strafe sämtliche Taxis vom Antlitz Londons getilgt.
Diesmal jagte Smiley einen Maulwurf des KGB in der britischen Geheimdienstzentrale, dem »Circus«, und grämte sich über Ann, die nach ihrer Rückkehr eine Affäre mit Smileys Untergebenem Bill Haydon angefangen hatte.
Wenn das Gerücht
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