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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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von den zwei Kastraten ist nicht mehr bekannt als das, was Montesquieu in seinem Voyage berichtet. Keinem der beiden Sänger scheint eine große Karriere beschieden gewesen zu sein, zumindest nicht in Rom, wo sie in den musikalischen Annalen nicht mehr auftauchen. Sie gehörten offenbar zu einem neapolitanischen Ensemble, das nach den Auftritten 1729 im Teatro Capranica nicht mehr engagiert wurde. Wahrscheinlich war es Mariotti, der den Engländer hinriss. Sein Spitzname, Giannottino, ein typischer Kastratenname, weist darauf hin, dass er ein akzentuiertes weibliches Aussehen besaß.
    Ein paar Worte noch über das Theater, in dem Montesquieu die beiden Kastraten singen hörte. Das Teatro Capranica war im 18. Jahrhundert eines der drei privaten Theater Roms. Es gehörte der Familie Capranica, die es Ende des 17. Jahrhunderts aus ein paar Sälen ihres schon im 15. Jahrhundert erbauten Palasts geschaffen hatte. 1728 vermieteten die Capranica ihr Theater dem Impresario Girolamo Mainardi, der das neapoletanische Opernensemble engagierte und die beiden komischen Opern aufs Programm setzte. Das Theater war eher klein, enthielt aber sechs Ränge von Logen, wobei Montesquieu aus einer von ihnen der Aufführung folgte.
    Die Kastration zum Zweck des Belcanto war die Folge einer Anordnung Papst Sixtus’ V., welche aufgrund der in der Kirche herrschenden moralischen Bedenken die Frauen von der Bühne verbannte. Um Stimmen mit weiblichem Timbre zu gewinnen, musste man deshalb zur Kastration greifen, und so stand die Kirche vor dem Dilemma, entweder Frauen auf der Bühne zuzulassen oder die an sich verbotene Kastration von Knaben zu dulden. Im 18. Jahrhundert wurden die Kastraten schweigend toleriert und konnten nicht nur in Theatern, sondern sogar in Kirchen auftreten, ungeachtet des Verbots der Kastration. Niemand gab öffentlich zu, sie zu praktizieren, was genügte, um eine Bestrafung durch die Kirche zu vermeiden. Der ökonomische Vorteil, der sich mit der Karriere eines Kastraten verband, war erheblich. Besonders arme Familien in ganz Italien, aber vornehmlich aus der Gegend von Neapel, ließen ihre kleinen Söhne kastrieren, um sie in die erfolgversprechende Karriere eines Kastraten einzuschleusen. In Neapel gab es auch die berühmtesten Gesangslehrer, die in der Lage waren, aus einem kastrierten Knaben einen hervorragenden Sänger zu machen. So war das Phänomen während des ganzen 18. Jahrhunderts verbreitet. Allerdings brachten die Kastraten aus kirchlicher Sicht den Nachteil mit sich, sowohl hetero- wie homosexuelle Leidenschaften zu entflammen. Montesquieu ist nicht der einzige, der Zeuge davon wurde. Liebesbeziehungen zwischen Kastraten und männlichen wie weiblichen Persönlichkeiten der hohen Gesellschaft sind auch von anderen italienischen und ausländischen Beobachtern registriert worden. Auch hier legt Montesquieu also mit der ihm eigenen Klarsicht den Finger auf einen Aspekt der römischen Sitten, der keineswegs nebensächlich war.

11.
Mengs, Winckelmann und das schöne römische Modell
    Die Protagonisten dieser Geschichte sind zwei Deutsche und eine Römerin. Ihre Namen: Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), der berühmte Altertumsforscher, Anton Raphael Mengs (1728–1779), der nicht weniger berühmte Maler, sowie Margherita Guazzi (1719–1778), Mengs’ Ehefrau. Die beiden Deutschen waren protestantisch getauft, doch beide zum Katholizismus übergetreten und zudem so «romanisiert», dass sie Italienisch miteinander sprachen und in perfektem Italienisch miteinander korrespondierten.
    Am 17. November 1786 berichtete Goethe in einem der vielen Briefe, die er aus Rom an Frau von Stein richtete, von einem merkwürdigen Fall, der seine Neugierde erregt hatte. Es ging um ein antikes römisches Gemälde, das auf unklare Weise in den Besitz eines in Rom ansässigen Franzosen gelangt war. Dieser hatte es durch den berühmten Maler Mengs restaurieren lassen und seiner Sammlung als eines der wertvollsten Stücke hinzugefügt. Was Goethe dabei am meisten Grund zur Verwunderung gab, war die Tatsache, dass dieses Gemälde, obwohl es der große Winckelmann für authentisch erklärt hatte, sich am Ende als eine Fälschung herausgestellt hatte und Mengs selbst der Fälscher war. Goethe schrieb: «Winckelmann spricht irgendwo mit Enthusiasmus davon, es stellt den Ganymed vor, der dem Jupiter eine Schaale Wein reicht und dagegen einen Kuß empfängt. Der Franzoße stirbt und hinterläßt das Bild seiner Wirthinn

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