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nicht weniger ehrenhaftem und unbestrittenem Charakter. Dann bemerkte sie gottesfürchtig, daß sie dem Himmel dafür danke, an ihrer Tochter stets ein ehrerbietiges und gehorsames Kind gehabt zu haben, was sie sich nicht selbst als Verdienst anrechnete, obwohl sie jeden Grund zu der Annahme hatte, daß es völlig ihr zu verdanken sei. In bezug auf Mr. Tackleton sagte sie, daß er vom Standpunkt der Moral aus ein unanfechtbarer Mann sei und vom Standpunkt des Geeignetseins ein Schwiegersohn sei, wie man ihn sich nur wünschen könne. Daran könne kein vernünftiger Mensch zweifeln. (Hierbei war sie sehr emphatisch.) In bezug auf die Familie, in die er nach Ersuchen sehr bald aufgenommen werden sollte, glaubte sie, Mr. Tackleton wisse, daß sie, wenn sie finanziell auch nicht gut gestellt sei, doch Anspruch auf Vornehmheit stelle. Und wenn gewisse Umstände, die nicht völlig ohne Beziehung zum Indigo-Handel sind – so weit möchte sie mit ihrer Behauptung gehen –, auf die sie aber nicht näher eingehen wolle, anders verlaufen wären, hätte sie vielleicht zu Reichtum gelangen können. Dann bemerkte sie, daß sie nicht auf die Vergangenheit anspielen und erwähnen wolle, daß ihre Tochter eine Zeitlang Mr. Tackletons Heiratsantrag abgelehnt hat, und daß sie nicht eine Menge anderer Dinge sagen wolle, was sie aber mit großer Ausführlichkeit tat. Zum Schluß teilte sie als das Ergebnis ihrer Beobachtungen und Erfahrungen mit, daß die Ehen, bei denen am wenigsten von dem, was romantisch und albern Liebe genannt wurde, vorhanden war, stets die glücklichsten waren und daß sie bei der bevorstehenden Hochzeit die größtmögliche Wonne voraussehe – keine leidenschaftliche, aber beständige und gleichbleibende Seligkeit. Sie kam zum Schluß, indem sie die Gesellschaft in Kenntnis setzte, daß morgen der Tag sei, für den sie eigens gelebt habe, und daß sie, sobald er vorüber sei, nichts sehnlicher wünsche, als zu sterben und irgendeiner vornehmen Grabstätte überlassen zu werden.
Da diese Bemerkungen unbestreitbar waren – was die glückliche Eigenart aller Bemerkungen ist, die ganz und gar nicht zur Sache gehören –, änderten sie den Verlauf der Unterhaltung und lenkten die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Kalbfleisch, die Schinkenpastete, das kalte Hammelfleisch, die Kartoffeln und die Torte. Damit das Flaschenbier nicht zu kurz käme, brachte John Peerybingle einen Trinkspruch auf den morgigen Hochzeitstag aus und forderte sie auf, ein Glas darauf zu trinken, bevor er sich auf den Weg machte.
Denn Sie müssen wissen, daß er dort nur rastete und sein altes Pferd fütterte und tränkte. Er mußte noch vier oder fünf Meilen weiterfahren, und wenn er am Abend zurückkehrte, holte er Pünktchen ab und legte eine weitere Pause auf dem Heimweg ein. Das war die Tagesordnung bei allen Picknickausflügen, seitdem sie eingeführt waren.
Außer dem Bräutigam und seiner Zukünftigen waren zwei Personen anwesend, die nur gleichgültig den Toast ausbrachten. Eine davon war Pünktchen, die zu stark errötet und verwirrt war, als daß sie Notiz von solchen Kleinigkeiten nahm; die andere, Bertha, stand vor den übrigen rasch auf und verließ den Tisch.
„Auf Wiedersehen!“ sagte der stämmige John Peerybingle und zog seinen Wettermantel an. „Ich bin zur üblichen Zeit zurück. Wiedersehn allerseits!“
„Auf Wiedersehn, John“, erwiderte Caleb.
Er schien es automatisch zu sagen und in derselben unbewußten Art mit der Hand zu winken; denn er stand da und betrachtete Bertha mit einem besorgten und verwunderten Gesicht, dessen Ausdruck sich nicht veränderte.
„Auf Wiedersehn, du Milchbart!“ sagte der lustige Fuhrmann und beugte sich herab, um das Kind zu küssen, das Tilly Slowboy, die jetzt ernstlich mit Messer und Gabel beschäftigt war, in ein von Bertha ausgestattetes Kinderbett zum Schlafen gelegt hatte. „Auf Wiedersehn! Die Zeit wird kommen, nehme ich an, wo du, mein kleiner Freund, in die Kälte hinausziehen und deinen alten Vater in der Kaminecke zurücklassen wirst, damit er sich seiner Pfeife und seines Rheumas erfreut, wie? Wo ist Pünktchen?“
„Hier, John!“ sagte sie und sprang auf.
„Immer langsam!“ erwiderte der Fuhrmann und klatschte schallend in die Hände. „Wo ist die Pfeife?“
„Ich habe die Pfeife ganz vergessen, John.“
Die Pfeife vergessen! Hat man so etwas schon gehört? Sie und die Pfeife vergessen!
„Ich – ich werde sie sofort stopfen. Das ist schnell
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