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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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noch mit einer anderen Absicht zu suchen, die ihm gleichzeitig in den Sinn kam.
    So erfuhr er nach einigen Schwierigkeiten, wo er sich aufhielt, und lenkte seine Schritte zurück zum alten Institut und zu jenem Teil, wo sich der Haupteingang befand und das Pflaster von den Schritten der Studenten abgetreten war.
    Das Haus des Wächters stand direkt am Eisentor und bildete einen Teil des Haupthofes. Davor war ein kleiner Kreuzgang, und er wußte, daß er von diesem geschützten Ort aus ins Fenster ihres Dienstraumes sehen und erkennen konnte, wer drinnen war. Das Eisentor war verschlossen, aber seine Hand war mit dem Schloß vertraut und zog es zurück, indem er sein Handgelenk zwischen die Stangen steckte. Dann ging er leise hindurch, verschloß es wieder und schlich sich ans Fenster, wobei er die dünne Schneeschicht kurzerhand mit den Füßen zertrat.
    Das Feuer, zu dem er den Jungen am vergangenen Abend geschickt hatte und das hell durch das Glas schien, bildete auf dem Boden einen erleuchteten Fleck. Zunächst glaubte er, niemand sei da und die Glut färbe nur die alten Balken in der Decke und die dunklen Wände rot; aber als er genauer hineinschaute, sah er den Gegenstand seiner Suche schlafend davor auf dem Fußboden zusammengerollt. Rasch lief er zur Tür, öffnete sie und ging hinein.
    Das Wesen lag in solch einer glühenden Hitze, daß sie, als sich der Chemiker bückte, um ihn zu wecken, seinen Kopf versengte. Sobald der Junge berührt wurde, raffte er – noch nicht ganz wach – seine Lumpen in dem Instinkt zur Flucht zusammen und floh, halb rollend, halb rennend, in eine entfernte Ecke des Zimmers, wo er, auf den Boden gekauert, mit den Füßen stieß, um sich zu verteidigen.
    „Steh auf!“ sagte der Chemiker. „Du hast mich nicht vergessen?“
    „Lassen Sie mich in Ruhe!“ erwiderte der Junge. „Das is das Haus der Frau – nich Ihres!“
    Der unverwandte Blick des Chemikers beeinflußte ihn etwas oder flößte ihm genügend Respekt ein, so daß er sich auf die Beine stellte und sie ansehen ließ.
    „Wer hat sie gewaschen und diese Verbände angelegt, wo sie zerquetscht und zerschrunden waren?“ fragte der Chemiker und deutete auf ihren veränderten Zustand.
    „Die Frau.“
    „Und ist sie es, die dich auch im Gesicht sauberer gemacht hat?“
    „Ja, die Frau.“

    Redlaw stellte diese Fragen, um die Blicke auf sich zu ziehen, und mit derselben Absicht faßte er ihn nun am Kinn und warf das wirre Haar zurück, obwohl er sich davor ekelte, ihn zu berühren. Der Junge beobachtete seine Augen gespannt, als ob er es zu seiner eigenen Verteidigung für erforderlich hielt, da er nicht wußte, was er als nächstes tun würde, und Redlaw konnte genau sehen, daß keine Veränderung mit ihm vor sich ging.
    „Wo sind sie?“ fragte er.
    „Die Frau is weg.“
    „Das weiß ich. Wo sind der weißhaarige alte Mann und sein Sohn?“
    „Sie meinen, der Mann von der Frau?“ fragte der Junge.
    „Ja. Wo sind die beiden?“
    „Weg. Irgendwo is was los. Sie wurden ganz eilig geholt und sagten mir, ich soll hierbleiben.“
    „Komm mit“, sagte der Chemiker, „und ich gebe dir Geld.“
    „Wohin mitkommen? Und wieviel geben Sie mir?“
    „Ich werde dir mehr Schillinge geben, als du jemals gesehen hast, und dich bald zurückbringen. Kennst du den Weg dahin, woher du gekommen bist?“
    „Lassen Sie mich“, erwiderte der Junge und wand sich plötzlich aus seinem Griff. „Ich werde Sie nich dahin bringen. Lassen Sie mich, oder ich werfe Sie mit Feuer!“
    Er stand davor und war bereit, mit seiner bösen kleinen Hand die brennenden Kohlen herauszuholen.
    Was der Chemiker gespürt hatte, als er die Wirkung seines verzaubernden Einflusses bemerkt hatte, der jene überkam, mit denen er Kontakt hatte, entsprach nicht annähernd dem kalten, unbestimmten Schrecken, mit dem er sah, wie das kindliche Ungeheuer ihm Trotz bot. Ihm erstarrte das Blut in den Adern, wenn er das unerschütterliche, unergründliche Wesen in Gestalt eines Kindes sah, mit seinem böswilligen Gesicht, das zu seinem aufblickte, und mit seiner Kinderhand bereit, sich zu wehren.
    „Hör zu, Junge!“ sagte er. „Du sollst mich führen, wohin du willst, aber bringe mich dahin, wo die Menschen sehr elend oder sehr schlecht sind. Ich möchte ihnen Gutes tun und ihnen keinen Schaden zufügen. Du sollst Geld haben, wie ich dir gesagt habe, und ich werde dich zurückbringen. Steh auf! Komm schnell!“ Er machte einen hastigen Schritt zur Tür hin,

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