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schreckliches und bedauerliches Ereignis.“
„Fish!“ erwiderte der Stadtrat. „Fish! Mein guter Freund, was ist los? Hoffentlich nichts Revolutionäres. Kein – kein versuchter Zusammenstoß mit den Beamten?“
„Deedles, der Bankier“, keuchte der Sekretär. „Von den Gebrüdern Deedles, der heute hier sein sollte und der bei der Goldsmiths Company ein hohes Amt bekleidet …“
„Hat nicht etwa Hand an sich gelegt!“ rief der Stadtrat aus. „Das kann nicht sein!“
„Hat sich erschossen.“
„Du lieber Gott!“
„Hat sich eine doppelläufige Pistole in den Mund gesteckt, in seinem eigenen Kontor“, sagte Mr. Fish, „und sich durch den Kopf geschossen. Kein Motiv. Fürstliche Verhältnisse!“
„Verhältnisse!“ rief der Stadtrat aus. „Ein Mann mit Vermögen. Einer der angesehensten Männer. Selbstmord, Mr. Fish! Von eigener Hand!“
„Gerade heute morgen“, entgegnete Mr. Fish.
„Oh, das Gehirn, das Gehirn!“ rief der gottesfürchtige Stadtrat und erhob die Hände. „Oh, die Nerven, die Nerven! Die Rätsel dieser Maschine, die sich Mensch nennt! Oh, wie wenig gehört dazu, sie durcheinanderzubringen! Was sind wir doch für arme Geschöpfe! Vielleicht ein Essen, Mr. Fish. Vielleicht das Verhalten seines Sohnes, der, wie ich gehört habe, verrückt spielte und die Angewohnheit hat, sich ohne die geringste Vollmacht Wechsel auszustellen. Ein höchst ehrbarer Mann. Einer der angesehensten Männer, die ich je gekannt habe! Ein bedauerlicher Vorfall, Mr. Fish. Ein öffentliches Unglück! Ich werde Wert darauf legen, in Trauer zu gehen. Ein höchst ehrwürdiger Mann! Aber es gibt den einen da oben. Wir müssen uns fügen, Mr. Fish. Wir müssen uns fügen!“
Was, Stadtrat? Kein Wort von Schlußmachen? Richter, vergessen Sie nicht Ihren hohen moralischen Stolz. Kommen Sie, Stadtrat! Halten Sie diese Waagschalen im Gleichgewicht. Werfen Sie mich, der ohne Essen ist, in die leere hinein und in die andre die Quellen der Natur einer armen Frau, die vom Elend des Hungerns ausgedörrt ist und verstockt geworden ist gegenüber den Forderungen ihrer Nachkommen, die sie an die heilige Mutter Eva haben. Wäge die beiden ab, Daniel, wenn dein Tag kommen wird und du an die Beurteilung gehst. Wäge sie aus der Sicht Tausender Leidender ab, der nicht unaufmerksamen Zuschauer des grausamen Theaters, das du spielst. Oder angenommen, du hast deine fünf Sinne verloren – das ist kein so weiter Weg, als daß er nicht möglich wäre – und Hand an dich gelegt und damit deine Freunde (falls du einen Freund hast) darauf aufmerksam gemacht, wie sie ihre wohltuende Niedertracht phantasierenden Köpfen und gramerfüllten Herzen vorkrächzen. Was dann?
Diese Worte stiegen in Trottys Brust hoch, als wären sie von einer anderen Stimme in ihm gesprochen worden. Stadtrat Cute verpflichtete sich, Mr. Fish dabei zu unterstützen, Sir Joseph diese Schreckensnachricht zu übermitteln, sobald der Tag vorüber wäre. Ehe sie sich trennten, drückte er Mr. Fishs Hand voller Bitterkeit und sagte dann: „Ein äußerst ehrwürdiger Mann!“ Und er fügte hinzu, daß er kaum wüßte (nicht einmal er), warum solche Leiden auf Erden zugelassen würden.
„Es reicht einem der Gedanke, wenn man es nicht besser wüßte“, sagte Stadtrat Cute, „daß zuzeiten umwälzende Bewegungen von Dingen im Gange waren, die die allgemeine Wirtschaftlichkeit des sozialen Gefüges gefährdeten. Die Gebrüder Deedles!“
Das Kegeln verlief mit großem Erfolg. Sir Joseph brachte die Kegel recht geschickt zu Fall; Master Bowley beteiligte sich auch am Spiel, aber aus größerer Nähe, und jedermann sagte, daß sich nun, da ein Baronet und der Sohn eines Baronets Kegel schoben, das Land so schnell wie möglich erholen würde.
Das Festessen wurde zur richtigen Zeit aufgetragen. Trotty begab sich unfreiwillig mit den anderen in den Saal, denn er fühlte sich von einem Impuls, der stärker als sein eigener Wille war, dorthin getrieben. Der Anblick war äußerst heiter; die Damen sahen sehr hübsch aus, die Gäste waren entzückt, fröhlich und ausgeglichen. Als die Türen geöffnet wurden und das Volk in seiner einfachen Kleidung hereindrängte, war das schöne Schauspiel auf seinem Höhepunkt. Doch Trotty murmelte nur immer wieder: „Wo ist Richard? Er könnte ihr helfen und sie trösten. Ich kann Richard nicht sehen!“
Es waren einige Reden gehalten worden, und man hatte auf Lady Bowleys Gesundheit angestoßen, und Sir Joseph Bowley hatte
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