Alles auf Anfang Marie - Roman
überwacht?«
»Du musst nicht gleich so übertreiben. Aber denk mal darüber nach, du magst es einfach nicht, wenn du nicht über die Dinge Bescheid weißt.«
»Vielleicht ist das ja manchmal auch wichtig, über die Dinge informiert zu sein. Marie, ich habe einfach die Sorge, dass du dich momentan in einer Situation befindest, wo du … nicht immer so ausgeglichen bist.«
»Was soll das denn heißen?« Jetzt war ich auch zum Schnauben wütend.
»Wir hatten neulich im Club doch einen Vortrag über Hormone«, belehrte er mich. »Die spielen in dieser Phase bei Frauen verrückt und beeinflussen auch das Wahrnehmungsvermögen, so ähnlich wie in der Pubertät. Da tut man schon mal Dinge, die man später bereut. Und deshalb, Marie, fände ich es besser, wenn du vorher mit mir sprechen würdest, wenn du in deinem Leben große Veränderungen planst.«
Hatte ich das richtig verstanden? Er wollte mir so ganz leutselig erklären, dass ich nicht ganz zurechnungsfähig war, weil ich mich gerade in den Wechseljahren befand? Das war ja wohl die Höhe.
Leider tat ich daraufhin genau das, was er mir gerade geschildert hatte: Ich wurde ziemlich unsachlich und sagte Dinge, die ich natürlich später bereuen würde. Er hingegen verteidigte seinen Standpunkt, ohne sich für irgendwas zu entschuldigen, und so zog sich das verbale Gefecht in die Länge, ohne dass wir irgendetwas damit erreichten. Abgesehen natürlich von einer stetig zunehmenden Verärgerung. In diesem Fall erwies sich sogar die vor einigen Monaten eingerichtete Telefonflatrate als Nachteil, sonst hätten wir vielleicht wenigstens im Hinblick auf die Telefonkosten das Gespräch vertagt.
Ich war völlig erschöpft, als wir endlich zu einem vorläufigen Ende gekommen waren. Als er mir zum Schluss noch ankündigte, er wäre Mittwochabend wieder zu Hause, fasste ich das eher als Drohung auf. Und nach diesem Scharmützel hatte ich noch nicht mal Freude daran,Cathy eine E-Mail zu schreiben und unser Kommen anzukündigen – natürlich stand zu erwarten, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt unseren Konflikt beigelegt hätten, aber im Moment hatte ich überhaupt keine Lust darauf, mit diesem halsstarrigen Kerl so viel Zeit am Stück zu verbringen. Stattdessen tobte sich in mir das Bedürfnis aus, ihm zu zeigen, dass ich sehr wohl eigene Entscheidungen treffen konnte, aber wenn ich ehrlich war, hatten meine Ideen eher den Charakter von Racheakten: das Haus streichen lassen (natürlich in einer Farbe meiner Wahl), einen Hund aus dem Tierheim holen (das war eine besonders bescheuerte Idee, denn an wem würde die ganze Arbeit hängen bleiben?) und ähnliche Dinge, die mich noch stundenlang beschäftigten, nachdem ich ins Bett gegangen war und eigentlich schlafen wollte.
Natürlich kamen wieder die Hitzewellen dazu. Ich warf die Decke von mir, nur um sie ein paar Minuten später wieder über mich zu breiten. Dann musste ich zur Toilette, was ich besonders besorgniserregend fand – wer liebt schon die Vorstellung, nachts ständig aufstehen zu müssen? Aber in erster Linie beschäftigte mich meine Wut auf Henning und seine chauvinistischen Ansichten. Kaum zu glauben, dass ich mit diesem Menschen schon seit über fünfundzwanzig Jahren verheiratet war.
Vielleicht war das der Ausgangspunkt dafür, dass so viele Ehen nach der Silberhochzeit in die Brüche gingen? Wenn mich in diesem Moment ein Scheidungsanwalt angerufen hätte, dann wäre ihm der Auftrag sicher gewesen.
10
Am nächsten Morgen erlaubte ich mir, etwas länger zu schlafen als sonst. Und während ich im Bett lag und mir das ganze Drama noch mal durch den Kopf gehen ließ, spürte ich, dass meine Erregung von gestern inzwischen einer gewissen Gelassenheit gewichen war, die mich in die Lage versetzte, meinem Mann nach dem Frühstück eine E-Mail zu schreiben. Ich nahm darin zwar nichts zurück, konnte aber doch etwas sachlicher argumentieren. Bis ich mich auf den Weg zu meiner Wahlfamilie machte, war noch keine Antwort gekommen. Aber ich wusste, er würde mir zurückschreiben, früher oder später.
Ich hatte mit Nicole ausgemacht, dass sie ihre Kinder am Abend noch mal spülen lassen sollte, damit sich die Geschirrberge in Grenzen hielten. Aber als ich ankam, musste ich feststellen, dass das nicht geschehen war.
»Erst waren sie so lange noch draußen«, teilte ihre Mutter mir mit. »Dann haben wir zusammen die Big-Brother-Sendung geguckt. Und dann wollten sie es einfach nicht machen.«
»Na so was«, sagte
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