Alles auf Anfang Marie - Roman
dass sie nicht zulassen würde, dass dieser Maik ihnen etwas tat.
»Ich kann es eh nicht ändern«, seufzte ich. »Ich gehe da jedenfalls nicht mehr hin.«
»Ich glaube, das ist besser«, sagte Hannes ruhig. »Wie gesagt, ich glaube, es gibt Möglichkeiten, wie Sie Ihre Stärken besser einsetzen können. Ich wünschte, ich könnte Sie als Sekretärin einstellen. Sie würden bestimmt meinen Laden im Nu auf Vordermann bringen.«
Ich dachte an das Angebot von Frau Göbel. »Ich habe die Anfrage, in einem Secondhandladen zu arbeiten, der karitative Projekte unterstützt.«
Er nickte. »Klingt doch gut. Das wäre was für Sie.«
»Wenn ich nicht nach China gehe.«
»Ach ja, China.« Er trat gegen einen Stein, der daraufhin mehrere Meter weit vor uns herflog. »Ich weiß nicht, was Ihr Mann sich dabei denkt.«
»Vermutlich denkt er, dass es einer Ehe nicht guttut, wenn man sich nur alle paar Monate mal sieht.«
»Er könnte doch hierbleiben.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wissen Sie, Hannes, ich kenne mich nicht so aus auf der Karriereleiter, aber so wie es sich anhört, kann man so etwas nicht einfach ausschlagen.«
Ich hörte ihn neben mir tief ein- und wieder ausatmen. »Also, ich habe natürlich nur diese kleine Bude und bin geschäftlich noch nie weiter gereist als nach Hofheim im Taunus. Aber ich glaube, wenn man erst mal so lange in einem Unternehmen ist wie Henning, dann kann man es sich auch leisten, mal zu etwas nein zu sagen. Selbst wenn die ihn dann feuern, bekommt er eine Abfindung, mit der man bequem überwintern kann.«
»Ich glaube nicht, dass er der Typ ist, der sich auf diese Weise zur Ruhe setzt«, sagte ich. »Dafür hat er noch zu viel Power. Er möchte etwas bewegen.«
Wieder trat Hannes gegen ein Steinchen. »Klar, so ist er. Aber er hat nicht nur diesen Job, er hat doch auch Sie. Ich frage mich, was ihm wichtiger ist.«
So langsam begaben wir uns auf dünnes Eis, dachte ich. Die Tatsache, dass Hannes und Henning eine komplizierte Vorgeschichte hatten, machte das Gespräch schwierig. Ich würde bei aller Sympathie nicht zulassen, dass Hannes mich gegen meinen Mann einnahm. Undso gut es mir tat, ihn so reden zu hören, spürte ich doch, dass ich plötzlich zwischen zwei Fronten stand.
»Ich kann Henning nicht vorschreiben, was er zu tun hat«, sagte ich. »Das habe ich nie getan, und das war auch gut so.«
»Trotzdem«, beharrte er. »Einer Frau wie Ihnen zuzumuten, in einer chinesischen Großstadt untätig zu versauern … das kann es doch nicht sein. Vielleicht tut das einer Ehe noch weniger gut?«
»Es ist immer ein Risiko«, sagte ich.
»Klar.« Er lachte kurz auf. »Da bin ich ja der Experte. Ich sollte wirklich mein großes Maul halten. Ich sage abschließend nur eins: Lassen Sie sich darauf nur ein, wenn auch für Sie irgendwas drin ist.«
Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinanderher. Inzwischen konnte ich ganz gut mit Hannes schweigen. Überhaupt konnte ich ganz gut mit ihm … Woher kam das wohl? Kannte er sich mit Frauen besser aus, als ich dachte? Ich wusste so wenig von ihm. »Hatten Sie nie eine längerfristige Beziehung?«, rutschte es mir heraus.
»Kommt darauf an, wie Sie das definieren«, sagte er. »Verheiratet war ich nicht. Aber es gab schon mal jemanden … Nur hat das nie gehalten. Insofern sollten Sie vielleicht nichts darauf geben, was Ihnen einer wie ich erzählt.«
»Es muss ja nicht unbedingt an Ihnen liegen.« Ich sah zu ihm hinüber, und unsere Blicke trafen sich.
»Das haben Sie nett gesagt.«
»Sie sind doch auch nett«, sagte ich. »Auf jeden Fall waren Sie heute sehr nett zu mir. Gar nicht wie der Polterkopf, für den ich Sie zuerst gehalten habe.«
Er räusperte sich. »Das könnte ja auch an Ihnen liegen.«
Oje, jetzt waren wir wieder an einem Punkt angekommen,wo ich mich nicht mehr auskannte. Als ich letztes Mal dachte, jetzt würde es sehr persönlich werden, war er vorher abgebogen. Täuschte ich mich wieder, oder war da ein Kribbeln zwischen uns? Müsste ich jetzt ein klärendes Wort sprechen oder würde ich mich damit eher lächerlich machen?
Also liefen wir wieder eine ganze Weile wortlos am Ufer der Sperre entlang. Eine Joggerin mit Hund kam uns entgegen. Wir hörten sie schnaufen, als sie grußlos an uns vorbeilief. Kurze Zeit später fasste Hannes mich spontan am Ellbogen und zog mich zu sich herüber, und ich dachte schon … Aber er tat das nur, um mich davor zu bewahren, in einen dicken Hundehaufen zu treten,
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