Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Chiropraktikern und Sportmedizinern gewesen, hatte Röntgenaufnahmen und CTs über sich ergehen und Gewebeproben entnehmen lassen. Eine körperliche Ursache für ihre Beschwerden war nicht gefunden worden. Die Schulmedizin hatte nicht weitergewusst.
»Ich war immer sehr aktiv«, hatte Deborah Ellen erzählt. »Ich habe furchtbar gern Wanderungen unternommen. Jetzt schaffe ich es an manchen Tagen kaum noch, einkaufen zu gehen. Die Schmerzen haben mein ganzes Leben verändert.«
»Das ist bei chronischen Schmerzen meistens der Fall«, erwiderte Ellen.
Sie selbst hatte diese Erfahrung nie gemacht, aber sie wusste von vielen ihrer Patienten, dass Schmerzen wie eine zersetzende Substanz waren, die nach und nach die einfachen Freuden des Lebens grausam wegätzten.
»Aber vielleicht kann ich Ihnen helfen«, fügte sie hinzu.
»Das haben schon viele gesagt.« Ein höflich zynisches Lächeln spielte um Deborahs Lippen. »Geschafft hat es noch keiner.«
Sie erinnerte Ellen ein bisschen an Julia. Deborah war groß und selbstbewusst und trug ihre dunklen Haare kurz geschnitten. Sie strahlte einen jungenhaften Charme aus, wie sie so dasaß in ihren schwarzen Jeans, ein langes Bein um das andere geschlungen.
Da sie erwähnt hatte, dass sie gern kochte, hatte Ellen sie dazu gebracht, sich einen Schalter an einem Herd vorzustellen, mit dessen Hilfe sie ihre Schmerzen drosseln konnte. Gleich zu Beginn ihrer heutigen Sitzung hatte Deborah gesagt, es sei »gut möglich«, dass sie ihre Schmerzen tatsächlich eine Stufe heruntergedreht habe, als sie an diesem Morgen über einen Parkplatz gegangen sei.
»Aber wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet«, fügte sie hinzu, als traute sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht. Sie hatte von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass sie eine Skeptikerin war. Nach der letzten Sitzung hatte sie, nicht ohne Stolz, gemeint: »Ich war die ganze Zeit voll da, Sie haben es nicht geschafft, mich zu hypnotisieren.« »Das macht nichts«, hatte Ellen erwidert. Sie hörte das immer wieder, nicht selten von Patienten, die noch Augenblicke zuvor in tiefer Trance mit offenem Mund, aus dem Speichel rann, dagesessen hatten.
»Wir werden heute mit einem weiteren Schalter arbeiten«, sagte Ellen zu ihr. »Nennen wir ihn Ihren Schalter für positive Energie.«
Deborah verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Das klingt richtig … süß.«
»Es wird Ihnen bestimmt gefallen«, erwiderte Ellen mit fester Stimme. Sie ignorierte Deborahs spöttischen Ausdruck. Hinter Ablehnung verbarg sich meistens Angst.
Sie hatte eine einfache, schnelle Induktion gewählt – eine Treppe hinuntergehen und mit jeder Stufe in einen Zustand tieferer Entspannung eintauchen – und beobachtet, wie Deborah entspannte. Sie sah viel jünger aus in Trance (ungeachtet ihrer Skepsis ließ sich Deborah jedes Mal problemlos in Hypnose versetzen). Ihre Gesichtszüge glätteten sich, was ihr einen verletzlichen Ausdruck verlieh, der so gar nicht ihrem burschikosen Auftreten im Wachzustand entsprach. In Ellen löste das mütterliche Gefühle aus.
»Ich möchte, dass Sie an eine Zeit denken, in der Sie voller Zuversicht oder Freude waren«, sagte sie. »Durchstöbern Sie Ihre Erinnerungen nach einem vollkommenen Moment. Nicken Sie, wenn Sie ihn gefunden haben.«
Während Ellen wartete und Deborah beobachtete, machte sie sich selbst auf die Reise in die Vergangenheit, zu ihrem eigenen Augenblick vollkommenen Glücks. Das war, als sie zum ersten Mal jemanden hypnotisiert hatte. Sie war elf und saß mit ihrer Großmutter mütterlicherseits, die alles, was ihre Enkelin tat, für einzigartig hielt, in genau diesem Zimmer. Ellen hatte gerade ein Buch gelesen, das sie in der Bibliothek entdeckt hatte, Hypnose für jedermann , und ihre Großmutter hatte eingewilligt, ihre erste Versuchsperson zu sein. Sie hatte eine Halskette als Pendel benutzt und zugeschaut, wie die braunen Augen ihrer Großmutter dem Anhänger gefolgt waren, hin und her, hin und her.
»Du machst das sehr gut«, hatte ihre Großmutter sie hinterher gelobt. Sie war ehrlich erstaunt, das konnte Ellen ihr ansehen. Sie klatschte zwar immer überschwänglich Beifall, wenn Ellen ihr etwas auf ihrem Kassettenrekorder vorspielte oder sonst etwas vorführte, aber das hier war etwas anderes. »Ich glaube, du hast eine besondere Begabung.«
Ich glaube, du hast eine besondere Begabung.
Nichts hätte tiefere Verzückung, ehrfürchtigere Verwunderung in Ellen
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