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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Flatrates eurer Handys, oder was?«
    »Längst passiert«, kichert Mathilde.
    »He, im Ernst, ihr tut mir leid, Herzchen. In eurem Alter muss man doch vor Liebe sterben! Gedichte schreiben! Die Revolution vorbereiten! Die Reichen beklauen! Die Rucksäcke rausholen. Auswandern! Die Welt verändern! Eure Gigabytes, ich weiß nicht. Eure Gigabytes – pff. Warum nicht gleich noch eure Bausparverträge, wo wir schon dabei sind?«
    »Und du?«, fragt Marion treuherzig, »worüber hast du dich mit Charles unterhalten, als du in unserem Alter warst?« Meine kleine Schwester dreht sich zu mir um.
    »Tja, wir – wir waren um diese Uhrzeit schon im Bett«, brummle ich, »oder machten unsere Hausaufgaben, stimmt’s?«
    »Genau. Oder du hast mir bei meinem Aufsatz über Voltaire geholfen.«
    »Kann gut sein. Oder wir haben für die nächste Woche vorgelernt. Und weißt du noch, wir haben uns einen Spaß draus gemacht, geometrische Formeln auswendig aufzusagen –«
    »Na klar!«, ruft die heißgeliebte Tante, »oder Gleichu–«
    Das Kopfkissen, das sie ins Gesicht bekommt, hindert sie daran, den Satz zu beenden.
    Sie antwortet mit lautem Gebrüll. Ein weiteres Kissen fliegt durchs Zimmer, dann ein Converse-Schuh, weiteres Kriegsgeheul, eine zur Kugel geknüllte Socke, ein ...
    Claire zieht mich am Ärmel. »Los, komm mit. Jetzt, wo wir die Kleinen hier etwas in Schwung gebracht haben, werden wir unten mal den Laden aufmischen.«
    »Das wird schwerer.«
    »Ach was. Ich brauche mich bloß an unseren Unterbelichteten zu hängen und die Produkte der Konkurrenz anzupreisen, schon ist die Sache geritzt.«
    Sie dreht sich auf der Treppe um und fügt mit ernster Miene hinzu: »Weil du bei Casino die Tüte immer noch gratis dazubekommst! Bei Champion hingegen kannst du das knicken ...«
    Sie prustet los.
     
    So ist sie. So ist Claire. Und das tröstet uns über die beiden anderen hinweg, stimmt’s? Mich jedenfalls hat es immer getröstet.
     
    »Was habt ihr nur da oben angestellt«, fragt meine Mutter beunruhigt und knüllt ihre Schürze zusammen, »bei dem Geschrei?«
    Meine Schwester rechtfertigt sich und zieht unschuldig die Schultern hoch: »He, ich kann nix dafür, Schuld ist Pythagoras.«
     
    In der Zwischenzeit war Laurence eingetroffen. Hockte am Rand des Canapés und musste bereits die umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen der Gewürzabteilung über sich ergehen lassen.
    Gut, okay, es ist ihr Abend, ihr Geburtstag, und sie hat den ganzen Tag gearbeitet, trotzdem ... Wir haben uns fast eine Woche lang nicht gesehen. Hätte sie mich nicht suchen können? Aufstehen? Mir zulächeln? Oder mich wenigstens wahrnehmen?
    Ich schlich mich von hinten an sie ran.
    »Nein, nein, die Idee ist gut, Ketchup zu den Tomatensoßen zu stellen, du hast vollkommen recht.«
    Dazu hat meine Hand auf ihrer Schulter sie inspiriert.
    Enjoy .
     
    Während wir uns ins Esszimmer schoben, registrierte sie mich, wie man im Stockwerk über uns sagen würde.
    »Gute Reise gehabt?«
    »Hervorragend. Danke.«
    »Und hast du mir zum Zwanzigsten ein Geschenk mitgebracht?«, sagte sie kokett und klammerte sich an meinen Arm, »ein Juwel von Fabergé vielleicht?«
    Es liegt wirklich in der Familie.
    »Russische Puppen«, brummte ich, »du weißt schon, einehübsche Frau, und je mehr du dich für sie interessierst, umso kleiner wird sie.«
    »Willst du mir damit was sagen?«, scherzte sie und ließ mich stehen.
    Nein. Mir.
     
    Scherzte sie.
    Scherzte sie und ließ mich stehen.
    Aufgrund solcher Einwürfe hatte ich mich in sie verliebt, vor Jahren, als ihr Fuß an meinem Bein hochkletterte, während ihr Mann mir erklärte, was er sich von meinen Diensten erhoffte, wobei er mit der Bauchbinde seiner Zigarre spielte, dieses unschuldige Stück Papier zu einer Auf-und-ab-Bewegung brachte, die ich für – äußerst leichtsinnig hielt.
     
    Ja, denn eine andere wäre berechenbarer gewesen, aggressiver. Willst du mir damit was sagen?, hätte sie gespottet oder geschrien, sich amüsiert oder mich angegriffen, die Worte gekaut oder Blicke abgefeuert, egal was gemacht, was weniger grausam war, sie nicht. Nein, sie nicht. Nicht die schöne Laurence Vernes.
     
    Es war Winter, und ich hatte mich mit ihnen in einem Nobelrestaurant im 8. Arrondissement getroffen. »Auf einen Kaffee«, hatte er klargemacht. Na gut, auf einen Kaffee. Ich war Dienstleister, kein Kunde.
    Bestenfalls eine Praline.
    Schließlich tauchte ich auf.
    Atemlos, salopp gekleidet, dick eingepackt.

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