Alles Glück kommt nie
Den Helm in der Hand, die Rollen unterm Arm. Gefolgt von einem ebenso entsetzten wie dienstbeflissenen Kellner, der aufgeregt meine Spur aufgenommen hatte und erst Ruhe gab, als ich mich meiner Klamotten entledigt hatte. Er hatte mir meine fürchterliche Jacke aus den Händen gerissen und war davongeeilt, nicht ohne dabei den hellen Teppichboden zu inspizieren. Aufder Suche nach Spuren von Schmieröl, Lehm oder anderen denkbaren Exkrementen, stellte ich mir vor.
Die Szene hatte nur wenige Sekunden gedauert, mich aber begeistert.
Da stand ich also, verschmitzt, spöttisch, wickelte mich aus meinem langen Schal und schlotterte ein letztes Mal, als mein Blick zufällig ihren kreuzte.
Sie glaubte oder wusste oder wollte, dass dieses Lächeln ihr galt, wobei es der Absurdität einer Situation, der Dummheit einer Welt, ihrer Welt, gewidmet war, die mich wider Willen ernährte. (Ich hatte damals das Gefühl, einem Typ, der sein Glück mit Lederwaren gemacht hatte und nun seine neue Maisonettewohnung renovieren wollte, »ohne an den Marmor zu rühren«, einen Kostenvoranschlag zu präsentieren, das sei von meiner Seite ein Verstoß gegen den guten Geschmack. Aber die Lohnnebenkosten, mein Gott, die Lohnnebenkosten! Le Corbusier wurde hier geopfert. (Seither habe ich meine Meinung geändert. Ich habe bei Geschäftsessen den Gürtel Loch für Loch enger schnallen müssen und mehrere Beschwerden bei der Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge eingelegt. Ich kann sie mir sonstwohin stecken, meine schlauen Einsichten, sonstwohin. Zusammen mit dem Marmor.) Wider Willen, sagte ich, und nahm, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, an einem fleckigen Tischtuch Platz, während ein Hilfskellner die letzten Krümel vom Tisch entfernte.
Meine Boshaftigkeit gegen ein Lächeln. Eine Verwechslung also.
Die erste.
Aber hübsch ...
Hübsch und schon ein bisschen abgeklärt, denn ihre Selbstsicherheit, ihr Augenzwinkern, ihre schmeichelhafte Verwegenheit, verdankten wir leider, wie ich ziemlich schnell durchschaute, eher den Tugenden eines Monsieur Taittinger als meinemkaum vorhandenen Charme. Aber egal. Es war sehr wohl ihr großer Zeh, den ich in meiner Kniekehle spürte, während ich versuchte, mich auf seine Wünsche zu konzentrieren.
Er verlangte von mir genauere Angaben zu ihrem Schlafzimmer. »Etwas Geräumiges und zugleich Intimes«, wiederholte er mehrmals und beugte sich über meine Zeichnungen.
»Nicht wahr, Liebes? Wir sind uns einig?«
»Pardon?«
»Das Schlafzimmer!«, stieß er in einer exzessiven Rauchwolke aus. »Jetzt hör mal ein bisschen zu.«
Sie waren sich einig. Nur ihr hübscher Fuß hatte sich verirrt.
Ich habe mich in Kenntnis der Sachlage verliebt und sehe nicht, worüber ich mich heute beklagen könnte, wenn sie mich scherzend stehenlässt.
Sie beaufsichtigte die Bauarbeiten. Unsere Treffen mehrten sich, und je weiter die Arbeiten voranschritten, umso unklarer wurden meine Perspektiven, umso weniger energisch ihre Fäuste, umso weniger wichtig die tragenden Wände, umso lästiger die Bauarbeiter.
Und so waren wir die Ersten, die es einweihten, dieses herrliche Schlafzimmer. Auf einer Malerplane, geräumig und intim, inmitten von Zigarettenstummeln und Gläsern mit Terpentinersatz.
Doch nachdem sie sich schweigend wieder angezogen, ein paar Schritte gemacht, eine Tür geöffnet und sogleich wieder geschlossen hatte, kam sie auf mich zu, strich ihren Rock glatt und verkündete schlicht und einfach: »Hier werde ich nicht wohnen.«
Sie sprach diesmal ohne Arroganz, ohne Bitterkeit und ohne Aggressivität. Hier würde sie nicht wohnen ...
Wir löschten die Lichter und gingen im Halbdunkel die Treppen hinunter.
»Ich habe ein Töchterchen«, vertraute sie mir zwischen zwei Stockwerken an, und während ich bei der Concierge an die Scheibe klopfte, um ihr die Schlüssel zurückzugeben, fügte sie ganz leise, nur für sich, hinzu: »Ein Töchterchen, das etwas Besseres verdient hat, glaube ich.«
Ah! Die Sitzordnung! Das ist in der Regel der beste Moment des Abends.
»Also, Laurence – zu meiner Rechten«, erklärt mein alter Herr, dann Sie, Guy (die Arme, jetzt gibt’s kein Halten mehr: Frischwarenabteilung,Taschendiebstahl, Personalquerelen...), »du, Mado, dann Claire, dann –«
»Nein, nein!«, ereiferte sich meine Mutter und riss ihm den Zettel aus der Hand. »Wir hatten gesagt, Charles hier, Françoise dort. Aber irgendwas stimmt hier nicht. Uns fehlt ein
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