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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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beschlossen, mein Praktikum in Ihrem Büro zu machen.«
    »Das ist ja eine komische Idee.«
    »Tja, warum man so was macht? Ich sollte wohl lernen, wie man einen Drucker repariert, denke ich«, erwiderte der jugendliche Schatten lächelnd.
     
    In der Diele stieß er gegen Mathildes Rucksack.
    »SOS, lieber herzensguter Stiefvater aller-allerbester aller-liebster, ich komme mit dieser Aufgabe nicht zurecht und muss sie morgen fertig haben (und muss sie abgeben und sie wird benotet und die Note fließt in die Gesamtnote ein) (wenn du verstehst, was ich meine)
    ps: stopp, HILFE, keine erklärungen!!!!!!! nur die lösungen.
    pps: ich weiß, das ist viel verlangt, aber wenn du dir ausnahmsweise mal mühe geben könntest mit deiner schrift, würde mir das sehr helfen.
    ppps: danke.
    pppps: gute nacht.
    ppppps: du bist ein schatz.«
     

    Ein Kinderspiel ...
     
    Und Charles setzte sich ein weiteres Mal allein in eine Phantomküche. Öffnete ein mageres Schulmäppchen, fluchte, als er zerkaute Buntstifte erblickte, holte seinen Druckbleistift heraus und gab sich Mühe, seine Buchstaben mit schönen Schleifen auszustatten.
    Während er C einzeichnete, f bestimmte, Pauspapier ausschnitt und eine große Faulenzerin vor Ärger bewahrte, konnte er nicht umhin, den Abgrund abzuschätzen, der ihn in diesem Moment von Rem Koolhaas trennte.
    Tröstete sich damit, dass er, was letztendlich in die Gesamtnote einfloss, den Status Schatz erreicht hatte.
     
    Schlief ein paar Stunden, trank seinen Kaffee im Stehen, überflog die Aufgabe noch einmal und setzte unter seine gestrige Nachricht ein »Du übertreibst«, ohne genauer zu spezifizieren, ob dies die Antwort auf ihr letztes Postskriptum war oder auf ihre Täuschungsmanöver.
    Um ihr bei der Bestimmung des letzten Punktes behilflich zu sein, holte er seinen Staedtler heraus und schob ihn zwischen leere Patronen, angeknabberte Bics und Notizen, durchsetzt mit Rechtschreibfehlern.
     
    Was würde aus ihr werden, wenn ich abhaue?, überlegte er, als er seine Jacke anzog.
    Und aus mir. Was ...
     
    Ein Taxi wartete auf ihn und sollte ihn zu anderen »Funktionen« bringen.
    »Welches Terminal, sagten Sie?«
    Egal, das ist mir so was von egal.
    »Monsieur?«
    »C«, antwortete er.
    Und von neuem, von neuem lief der Zähler.

10
    Die Staus waren groteskow. Sie brauchten über vier Stunden, um etwa dreißig Kilometer zurückzulegen, wurden Zeuge zweier schwerer Unfälle und wohnten einem Festival an Zusammenstößen bei.
    Sie nahmen die Gegenfahrbahn und beleidigten die Meckerer, sie fuhren auf dem Seitenstreifen und kurbelten wegen der Staubentwicklung die Scheiben hoch, sie fuhren durch spektakuläre Löcher und drängten kleinere Autos ab, indem sie sie mit Stoßstangen made à l’Ouest traktierten.
    Sie wären auch über Verletzte gebrettert, wenn es möglich gewesen wäre.
     
    Der Fahrer zeigte ihm die Straße, dann den Hebel für die Scheibenwischer, und sein Witz schien ihn so sehr zu amüsieren, dass Charles sich anstrengte, um sein Kauderwelsch zu verstehen. Der ist für der Blut, amüsierte er sich, du verstehen? Der Blut! Krow! Ha. Ha. Der ist gut.
    Es war schwül, die Luftverschmutzung extrem, und seine Migräne hinderte ihn daran, sich auf die Termine am nächsten Tag zu konzentrieren. Er kippte pfundweise Pulver in sich hinein, fuhr sich mit der Zunge über das Zahnfleisch, um die Wirkung des Aspirins zu beschleunigen. Irgendwann lösten sich die Akten zu seinen Füßen auf.
    Schon gut. Soll er doch seine verdammten Scheibenwischer anstellen, damit wir das hinter uns bringen.
     
    Als Viktor ihm bei den Türstehern des Hotels endlich eine gute Nacht wünschte, war er zu keiner Reaktion mehr fähig.
    »Bla bla schto shálujetes?«
    Sein Fahrgast senkte den Kopf.
    »Bla bla bla golóden?«
    Er ließ den Türgriff los.
    »My s toboi bla bla bla wodki!«, beschloss er und fädelte sich von neuem ein.
    Sein Lächeln ließ den Rückspiegel erstrahlen.
     
    Die Straßen, in die sie vordrangen, wurden immer düsterer, und als ihre Limousine zu sehr provozierte, vertraute er sie einer Clique gutgelaunter Jungs an. Gab seine Anweisungen, deutete mit seiner großen Hand eine Ohrfeige an, zeigte ihnen ein Bündel Scheine, die er sogleich wieder in die Tasche steckte, und überließ ihnen eine Schachtel Zigaretten, damit sie nicht ungeduldig wurden.
     
    Charles trank ein Glas, ein zweites, begann sich zu entspannen, ein dri... Und kam am frühen Morgen neben den Wohncontainern der

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