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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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beliebigen Betrag dafür bezahlen. Er erwiderte, dass er es versuchen werde; und tatsächlich, am nächsten Tag bekam ich zwei weitere Eier, doch an den folgenden Tagen nicht einmal eines; und als ich Johannes darauf hinwies, dass ich wirklich jeden beliebigen Preis bezahlen würde, um nur ja noch welche zu bekommen, zuckte er die Achseln und schnitt mir mit einem groben Gebrumm das Wort ab. Ich presste die Zähne aufeinander, um nicht der Versuchung nachzugeben, ihn zu schlagen, und ich verfluchte die Apathie, die mir die Hände band und mich mit jedem Tag mehr dem Alten und seiner Unverschämtheit auslieferte. Jetzt würde ich den verlorenen Boden nicht mehr zurückgewinnen können, und ich tröstete mich, indem ich mir sagte, dass mein Fortgehen allen Demütigungen ein Ende setzen werde. Zuweilen wurde ich derart von Zorn gepackt, dass ich einen Zweig abbrach und damit nahe an den Alten heranging, während ich mir auf die Stiefel haute, bereit, ihn mitten ins Gesicht zu schlagen, falls er auch nur das geringste Zeichen von Gereiztheit von sich gab. Aber dann tat er so, als sehe er mich nicht. Und ich ging ungeduldig
um ihn herum und forderte ihn heraus mit diesen harten Schlägen gegen meine Lederstiefel, bis ich schließlich den Zweig weit fortwarf oder damit wütend auf die Kruppe des Maultiers schlug, wobei ich mit lauter Stimme redete und zeigte, dass ich zum Äußersten bereit war.
    Am Morgen des siebten Tages fand ich Johannes, wie er damit beschäftigt war, etwas in seiner Pfanne zuzubereiten, und der scharfe Geruch seines Ragouts schnürte mir die Kehle zu; aber als es Zeit zum Essen war und Johannes mich mit einer Handbewegung dazu aufforderte, konnte ich nicht ablehnen. Irgendwie musste ich meinen Hunger stillen.
    Ich habe mich niemals gefragt, welches Tier das Fleisch zu dieser Mahlzeit geliefert hat, das schlechteste Fleisch, das ich je gegessen habe, steinhart und dann plötzlich wieder so weich, dass es wie Fett im Munde zerging und ebenso schwierig herunterzuschlucken war. Johannes hatte der Soße ein stark pfeffriges Gewürz beigefügt, das er durch das Stampfen ganz bestimmter entsetzlich scharfer Pfefferschoten gewonnen hatte. Den ganzen Morgen hatte er nichts weiter getan als auf einem Stein Pfefferschoten zerstampft, und jetzt waren sie hier in der Soße. Vielleicht erwartete der Alte, dass ich das Essen zurückwies oder zumindest überrascht wäre darüber; stattdessen aber
zwang ich mich dazu, in aller Ruhe zu essen und den Ekel und vor allem die Tränen zu verbergen, die das Brennen des Gewürzes verursachte. Ich merkte, dass ich gesiegt hatte, denn Johannes vergaß zu essen und war nur damit beschäftigt, mir zuzusehen und in meinem Gesicht die Wirkung des Pfeffers zu beobachten. Ich setzte meinen ganzen Stolz in dieses Unternehmen. Und zum ersten Mal verrieten Johannes’ Augen ein Erstaunen, gleichsam das Erstaunen des Sprengstoffattentäters, der ganz sicher ist, dass er die Zündschnur angezündet hat, und nun wissen möchte, warum eigentlich die Bombe nicht platzt. Es war mein erster Sieg, und ich verstand es, ihn auszukosten, indem ich schweigend aß. Johannes konnte nicht mehr an sich halten, und mit sichtlicher Überwindung fragte er mich, ob mir dieses Gericht schmecke. Ich gab ihm trocken zur Antwort, es schmecke gut, fügte aber weiter nichts hinzu. Johannes begann wieder zu essen, ich las in seinem Gesicht eine plötzliche Enttäuschung, und kurz darauf ergab er sich.
    «Ist es nicht sehr stark gepfeffert?», fragte er zögernd.
    «Gepfeffert?»Ich sah ihn erstaunt an, als versuche ich zu begreifen, worauf er anspiele, und dann kam ich zu dem Schluss:«Das ist genau richtig im Geschmack.»

    Ich kann wohl sagen, von diesem Augenblick an begann Johannes mich zu respektieren, ja sogar zu fürchten; und ich musste nicht mehr um ihn herumgehen und mir, laut schimpfend, auf die Stiefel schlagen. Wenn ich ihn anschaute, beschränkte er sich jetzt darauf, so zu tun, als sehe er mich nicht; aber er war nicht mehr unverschämt, obschon er es vorsätzlich vermied, das Wort an mich zu richten, vielleicht um nicht gezwungen zu sein, mich mit meiner Rangbezeichnung anzureden.
    Doch abgesehen von Johannes und seiner Boshaftigkeit - ich fühlte mich übrigens immer besser imstande, mich dagegen zu wehren -, gestaltete sich mein Aufenthalt im Dorf nicht so einfach, wie es mir anfänglich vorgekommen war. Am Morgen des achten Tages (in diesem Augenblick lichtete vielleicht der alte Kahn die

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