Alles hat seine Zeit
Durchmesser und sah auch sauber aus, doch es enthielt kein Möbelstück, nicht einmal das primitivste. Auf dem Fußboden lagen ein paar staubbedeckte Scherben, das war alles; keine Lagerstatt und nicht einmal ein Hocker. Ich fragte mich, warum Johannes nicht diese Hütte denjenigen auf der Lichtung vorgezogen habe: Sie bot viele Vorteile, abgesehen davon, dass sie nahe beim Nebenfluss lag (man brauchte
nur den steilen Pfad hinabzusteigen und war schon am Ufer). Und der immerwährende Schatten der Bäume, die den schmalen freien Platz umstanden (es waren dichte und grüne Bäume), machte sie zudem innen dunkel, ein unschätzbarer Vorteil an einem Ort, wo die Sonne einem keine Ruhe lässt.
Ich erklärte mir Johannes’ Vorbehalt gegen diese Hütte, nachdem ich bei genauem Hinsehen über dem Eingang einen Fleck entdeckt hatte oder etwas, das einer Malerei ähnlich sah. Ich zündete ein Streichholz an und hielt es hoch über meinen Kopf. Ja, es war eine Malerei, sehr einfältig und wie sie dort unten üblich ist: ein Erzengel, der einen Drachen tötet. Der Maler hatte sein Bestes getan, aber da er vermutlich nicht so genau wusste, was ein Drache ist, hatte er ihm die Gestalt eines Krokodils gegeben. Johannes wohnte also nicht in dieser Hütte, weil sie in Wirklichkeit eine Kirche oder eine Votivkapelle war. Aber es war keine Spur von einem Altar zu sehen und nichts, was einen veranlassen konnte, diesen Ort für heilig zu halten, außer der Malerei. Zuletzt kam ich zum Schluss, dass es sich nicht um eine Kirche oder eine Kapelle handelte: dann wäre nämlich die Malerei dem Eingang gegenüber gewesen, auch von außen her sichtbar.
Ich warf einen letzten Blick auf den Erzengel
und wollte gerade hinausgehen, als Johannes in der Türöffnung auftauchte. Er lächelte mir zu, glücklich darüber, dass ich die Hütte bewunderte, die ihm gewiss als ein großartiges Bauwerk erschien. Er wies auf die Wände hin, klopfte mit den Fingerknöcheln daran, damit ich hören solle, wie sie dröhnten; unterdessen vergewisserte er sich, dass hier drinnen alles in Ordnung war; er blickte so besorgt um sich wie ein Zimmermädchen, das einem Gast das Zimmer zeigt. Vielleicht wünschte er, dass ich darin wohne, damit ich ihm nicht den ganzen Tag im Weg herumstehe.
Da ich nicht wusste, was ich angesichts seiner Begeisterung sagen sollte, lobte ich den Bau und fragte Johannes, warum er nicht darin wohne. Er erwiderte, die Hütte gehöre nicht ihm; dies war gewiss die Antwort, auf die ich am wenigsten gefasst war. Mittlerweile war mir der Begriff des Eigentums abhandengekommen, und ich hatte mich nie gefragt, ob die afrikanischen Hütten jemandem gehören oder ob sie von der Natur geliefert würden, in der Landschaft inbegriffen seien, unbewegliche Güter, die uns beweglichen Sterblichen zur Verfügung stehen. Nun folgerte ich, dass ich meine Hütte widerrechtlich bewohnte; es war mir wirklich überflüssig erschienen, Johannes um Erlaubnis zu bitten, darin zu wohnen. Ich sagte ihm lächelnd, was ich dachte, und
Johannes lachte von Herzen. Nein, ich dürfe in jener Hütte bleiben, ich solle nur dort bleiben! Aber warum machte er dann so spitzfindige Unterscheidungen? Warum war es in dieser Hütte erlaubt und in jener nicht?
«Johannes», sagte ich,«dürfte ich wohl herkommen und in dieser Hütte wohnen?»
Er schien verärgert über das Ansinnen und entgegnete, dass die Hütte nicht ihm gehöre und er nicht darüber verfügen könne. Ich solle darin wohnen, wenn ich es für nötig hielte, ich hätte jedes Recht, aber er könne nicht darüber verfügen.
«Wem gehört die Hütte?», fragte ich. («Wem kann sie schon gehören», dachte ich,«wenn nicht jenem Priester, den ich zusammen mit Johannes im Wald gesehen habe? Daraus erklärt sich auch das Vorhandensein dieser armseligen Malerei. »)
Johannes zögerte mit der Antwort, dann sagte er, dass sie einer Person gehöre, die jetzt nicht mehr im Dorf sei, vielleicht aber zurückkommen werde. Und während er diese Worte sagte, sah er mich starr an, wobei er (so schien es mir) mit dem Kopf nahe zu mir herankam.«Gut», dachte ich,«es ist Mariams Hütte.»
«Und diese Person», fragte ich,«wohnte hier allein?»Er bejahte. Aus welchem Grund wohnte diese Person allein? Dies wusste Johannes nicht,
oder er wollte es nicht sagen. Ja, er wollte es nicht sagen.
Ich stieg die Stufen wieder hinauf und zündete noch ein Streichholz an, um einen letzten Blick auf die Malerei zu werfen. Diesmal entdeckte
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