Alles ist erleuchtet
Sammy Davis jr. jr.
raus.« »Wer?« »Die Hündin. Sie heißt Sammy Davis jr. jr.« »Soll das ein Witz sein?« »Nein, sie springt wirklich raus.« »Nein, ich meine, ob das sein Name ist.« »Ihr Name«, bekorrigierte ich ihn, denn mit Pronomen bin ich erstklassig. »Sag ihm, er soll seine Lippen verschließen«, sagte Großvater. »Er sagt, dass er die Hündin nach seinem liebsten Sänger benannt hat, und das war Sammy Davis jr.« »Er war Jude«, sagte der Held. »Was?« »Sammy Davis jr. war Jude.« »Das ist nicht möglich«, sagte ich. »Doch. Er ist übergetreten. Er hat den jüdischen Gott gefunden. Ziemlich komisch.« Ich informierte Großvater. »Sammy Davis jr. war kein Jude!«, rief er. »Er war ein Neger aus dem Rattenclub!« »Aber der Jude ist sich ganz sicher.« »Der Sänger? Ein Jude? Das ist etwas Unmögliches!« »Aber er hat es so gesagt.« »Dean Martin jr.!«, rief er zum Rücksitz. »Komm her! Komm schon, meine Kleine, komm nach vorn!« »Könnten wir bitte das Fenster runterkurbeln?«, fragte der Held. »Ich kann diesen Gestank nicht ertragen.« In diesem Augenblick schluckte ich das letzte kleine Brötchen auf dem Teller. »Das ist nur Sammy Davis jr. jr. Sie muss im Wagen immer schrecklich furzen, weil er keine Stoßdämpfer oder Stützen hat, aber wenn wir die Fenster herunterkurbeln, springt sie hinaus und wir brauchen sie, denn sie ist die Blindenhündin für unseren Fahrer, der auch mein Großvater ist. Können Sie das nicht verstehen?«
Es war innerhalb dieser Fünf-Stunden-Fahrt vom Bahnhof von Lwow nach Lutsk, dass der Held mir erklärte, warum er in die Ukraine kam. Er grub verschiedene Dinge aus seiner Seitentasche. Zuerst gab er mir ein Foto. Es war gelb und faltig und hatte viele Stücke Klebeband, die es zusammenhielten. »Sehen Sie das?«, fragte er mich. »Das da ist mein Großvater Safran.« Er zeigte auf einen jungen Mann, von dem ich sagen muss, dass er sehr wie der Held aussah. Er hätte der Held sein können. »Es ist im Krieg aufgenommen worden.« »Aufgenommen?« »Es ist gemacht worden.« »Ich verstehe.« »Diese anderen Leute auf dem Foto haben ihn vor den Nazis gerettet.« »Was?« »Sie... haben... ihn... vor... den... Nazis... gerettet.« »In Trachimbrod?« »Nein, irgendwo in der Nähe von Trachimbrod. Er konnte bei dem Überfall auf Trachimbrod fliehen. Alle anderen wurden umgebracht. Er hat Frau und Baby verloren.« »Verloren?« »Sie wurden von den Nazis umgebracht.« »Aber wenn das nicht in Trachimbrod war, warum fahren wir dann nach Trachimbrod? Und wie sollen wir diese Familie finden?« Er erklärte mir, dass wir nicht nach der Familie suchen würden, sondern nach dem Mädchen. Sie war die Einzige, die noch lebendig war.
Er bewegte seinen Finger über das Gesicht des Mädchens auf dem Foto, als er über sie sprach. Sie stand rechts unter seinem Großvater. Neben ihr stand ein Mann, von dem ich sicher bin, dass es ihr Vater war, und hinter ihr stand eine Frau, von der ich sicher bin, dass es ihre Mutter war. Ihre Eltern sahen sehr russisch aus, aber sie nicht. Sie sah amerikanisch aus. Sie war ein jugendliches Mädchen, vielleicht fünfzehn. Es ist aber möglich, dass sie mehr Jahre hatte. Sie hätte so alt wie der Held und ich sein können, genauso wie der Großvater des Helden. Ich sah das Mädchen viele Minuten an. Sie war sehr, sehr schön. Ihr Haar war braun und ruhte auf ihren Schultern. Ihre Augen schienen traurig und voller Intelligenz.
»Ich will Trachimbrod sehen«, sagte der Held. »Ich will sehen, wie es dort ist, wie mein Großvater aufgewachsen ist, und wo ich jetzt leben würde, wenn der Krieg nicht gewesen wäre.« »Dann wären Sie Ukrainer.« »Stimmt.« »Wie ich.« »Ja.« »Nur nicht genau wie ich, weil Sie ein Bauer in einem unübereindruckenden Dorf wären und ich in Odessa lebe, das sehr ähnlich wie Miami ist.« »Und ich will sehen, wie es jetzt ist. Ich glaube nicht, dass es dort noch irgendwelche Juden gibt, aber vielleicht gibt es ja doch noch welche. Und in den Schtetls haben nicht nur Juden gelebt, also gibt es vielleicht andere Leute, mit denen ich sprechen kann.« »Ich den was?« »In den Schtetls. Ein Schtetl ist ein Dorf.« »Warum sagen Sie dann nicht Dorf?« »Es ist ein jüdisches Wort.« »Ein jüdisches Wort?« »Jiddisch. Wie Schmock.« »Was ist ein Schmock?« »Jemand, der etwas tut, mit dem man nicht einverstanden ist.« »Sagen Sie mir noch ein Wort.« »Putz.« »Was heißt das?« »Dasselbe wie
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