Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
Vom Netzwerk:
erfolgreich sein würde. »Nein«, sagte er, und das war alles. »Sie will nicht von deiner Tür weggehen«, sagte ich zu ihm. »Dann soll sie im Flur schlafen.« »Es würde sehr gütig von dir sein.« »Kein Interesse.« »Nur für eine Nacht.« »Das ist eine zu viel. Sie würde mich umbringen.« »Das ist so unwahrscheinlich.« »Sie ist verrückt.« »Ja, ich kann nicht belügen, dass sie verrückt ist. Aber sie ist auch mitleidig.« Ich wusste, dass ich nicht siegen würde. »Pass auf«, sagte der Held, »wenn sie im Zimmer schlafen will, schlafe ich im Flur. Aber wenn ich im Zimmer bin, bin ich allein im Zimmer.« »Vielleicht solltet ihr beide im Flur schlafen«, schlagte ich vor.
    Nachdem wir den Helden und die Hündin der Ruhe überlassen hatten - Held im Zimmer, Hündin im Flur - , gingen Großvater und ich hinunter zur Bar des Hotels, um Wodka zu trinken. Es war Großvaters Gedanke. In Wirklichkeit war ich ein winziges bisschen geängstigt, mit ihm allein zu sein. »Er ist ein guter Junge«, sagte Großvater. Ich konnte nicht wissen, ob er sich erkundigte oder mich lehrte. »Er scheint so«, sagte ich. Großvater fuhr mit der Hand über sein Gesicht, das während dem Tag mit Haaren bedeckt worden war. Erst jetzt bemerkte ich, dass seine Hände zitterten und dass sie den ganzen Tag gezittert hatten. »Wir sollten stark versuchen, ihm zu helfen«, sagte er. »Das sollten wir«, sagte ich. »Ich würde Augustine sehr gern finden«, sagte er. »Ich auch.«
    Das war alles, was wir an dem Abend redeten. Wir tranken jeder drei Wodkas und sahen den Wetterbericht, der im Fernseher hinter der Bar kam. Ich war besänftigt, dass das Wetter normal sein würde. Das würde unsere Suche leichter machen. Nach den Wodkas gingen wir in unser Zimmer, das neben dem Zimmer des Helden stand. »Ich werde auf dem Bett ruhen und du auf dem Boden«, sagte Großvater. »Natürlich«, sagte ich. »Ich werde den Wecker um sechs Uhr klingeln lassen«, sagte er. »Sechs?«, erkundigte ich mich. Wenn Sie wissen wollen, warum: Sechs ist nicht sehr früh am Morgen für mich, sondern verspätet in der Nacht. »Sechs«, sagte er, und ich wusste, dass das das Ende der Unterhaltung war.
    Während Großvater seine Zähne wusch, ging ich, um mich zu versichern, dass mit dem Zimmer des Helden alles akzeptierbar war. Ich hörte an der Tür, ob er imstande war, Schnarcher zu machen, und hörte nichts Abnormes, nur den Wind, der das Fenster durchdrang, und das Summen von Insekten. Gut, sagte ich zu meinem Kopf, er ruht gut. Er wird morgen nicht ermüdet sein. Ich versuchte, die Tür aufzumachen, um mich zu versichern, dass sie gesichert war. Sie öffnete sich um ein paar Prozent, und Sammy Davis jr. jr., die noch bei Bewusstsein war, ging hinein. Ich sah, dass sie sich neben das Bett legte, wo der Held in Frieden ruhte. Das ist akzeptierbar, dachte ich und schloss die Tür in Stille. Dann ging ich wieder in das Zimmer von Großvater und mir. Das Licht war schon aus, doch ich konnte wahrnehmen, dass er noch nicht ruhte. Sein Körper verdrehte sich hierhin und dahin. Die Laken bewegten sich, und das Kissen machte Geräusche, als er sich hierhin und dahin verdrehte. Ich hörte sein großes Atmen. Ich hörte seinen Körper sich bewegen. So war es die ganze Nacht. Ich wusste, warum er nicht ruhen konnte. Es war derselbe Grund, warum ich auch nicht ruhen konnte. Wir dachten beide an dieselbe Frage: Was hatte er im Krieg getan?

    Trachimbrod war irgendwie anders als das namenlose Schtetl, das zuvor dort existiert hatte. Alles ging weiter seinen gewohnten Gang. Die Aufrechten fuhren fort zu schreien, zu hängen und zu humpeln, und sie sahen noch immer auf die Wankler herab, die noch immer mit den Fransen an den Enden ihrer Hemdsärmel spielten und noch immer nach den Gottesdiensten - öfter aber während der Gottesdienste -Kekse und Knisches aßen. Die trauernde Schanda trauerte noch immer um ihren verstorbenen Mann, den Philosophen Pinchas, der noch immer eine aktive Rolle in der Politik des Schtetls spielte. Jankel versuchte noch immer, das Rechte zu tun, er sagte sich noch immer fortwährend, er sei nicht traurig, und war es am Ende doch. Die Synagoge rollte noch immer hin und her und versuchte, sich auf der hin und her wandernden jüdischmenschlichen Grenze des Schtetls festzusetzen. Sofiowka war so verrückt wie eh und je, er masturbierte noch immer, umwickelte sich noch immer mit Schnur, benutzte noch immer den Körper, um sich an den Körper zu

Weitere Kostenlose Bücher