Alles Ist Ewig
Richtige.
»Keine Angst. Da oben ist nichts mehr«, sagte Adam.
»Was?« Haven tat so, als hätte sie nicht verstanden.
»Der Raum ganz oben. Der ist jetzt leer.«
Sie konnte kaum glauben, dass er das Thema angesprochen hatte. Sie dachte an all das, was sie in diesem gruseligen Raum gesehen hatte – Dinge, die sie in ihren früheren Leben besessen hatte, und die Leichen von sechs Frauen, die sie einmal gewesen war.
»Ich erinnere dich natürlich nicht gern daran, aber ich dachte, du solltest es wissen«, erklärte Adam. »Ein Augenblick des Unbehagens ist immer noch besser als ein ganzes Leben voller Unsicherheit. Ich habe all deine Besitztümer entfernt. Einiges davon ist in Museen gelandet. Den Rest habe ich in ein Lager bringen lassen. Der Schlüssel gehört dir, wenn du ihn möchtest.«
»Und die Leichen?«, fragte Haven.
»Sind zur ewigen Ruhe gebettet. Ich habe in Brooklyn ein Mausoleum für sie bauen lassen. Bist du jemals auf dem Green-Wood-Friedhof gewesen?«
»Nein«, erwiderte Haven.
»Der ist wunderschön«, sagte Adam. »Es gibt dort riesige Bäume und Hügel, von denen aus man die ganze Stadt überblicken kann. Das Mausoleum selbst ist recht schlicht gehalten. Ein von Menschen erbautes Objekt hätte der Schönheit der Umgebung sowieso nichts hinzufügen können. Darum habe ich das Grab direkt in einen der Hügel hineinbauen lassen. Nur der Eingang ist zu erkennen. Ein Stück weiter gibt es einen See, und im Sommer kann man darauf die Schwäne vorbeigleiten sehen. Selbst ich finde den Ort friedvoll. Obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht mehr an dem Mausoleum gewesen bin, seit es fertig ist. Ich dachte, nach all den Jahren hast du vielleicht ein wenig Ruhe verdient.«
»Du hast dich wirklich verändert.« Die Worte blieben Haven beinahe im Hals stecken. Sie wollte nicht, dass sie wahr waren. Doch bei genauerer Betrachtung erkannte sie, dass es stimmte.
»Ich bin noch lange nicht so weit, wie ich sein wollte«, entgegnete Adam. »Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht erwartet, dass du in diesem Leben noch einmal zu mir zurückkehren würdest. Ich dachte, ich würde mehr Zeit haben, um meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Ich will eine Ouroboros-Gesellschaft aufbauen, auf die du stolz sein kannst. Eine, von der du dir sogar vorstellen könntest, sie an meiner Seite zu leiten.«
»Wirst du mir denn wirklich die Wahl lassen?«
»Ja«, versprach Adam. »Das werde ich.«
Um acht Uhr blieb Haven einen halben Block von dem roten Backsteingebäude entfernt stehen und konnte ihre Füße nicht davon überzeugen, sich weiterzubewegen. Sie brachte es einfach nicht über sich, weiter den Plan der Horae zu verfolgen. Beim Gedanken an Iain und Beau wurde Haven zwar das Herz schwer, dennoch konnte sie die Vorstellung nicht ertragen, Adam zu hintergehen. Er liebte sie, und sie hatte Mitleid mit ihm. Es schien ihr wie eine besonders grausame Fügung des Schicksals, dass sie Adams Freiheit für das Leben der zwei Menschen, die ihr am meisten bedeuteten, eintauschen musste. Wenn es doch nur einen anderen Weg gäbe. Sie hatte stundenlang versucht, Iain zu erreichen, um zu hören, ob er in der Zwischenzeit etwas herausgefunden hatte – und um ihn zu warnen, dass er vorsichtiger sein musste. Doch er ging nie ans Telefon, und Frances Whitman hatte ihn seit Tagen nicht mehr gesehen.
Haven spürte, wie sich ihr Herzschlag verlangsamte und sie zu frösteln begann. Aber noch immer konnte sie weder umkehren noch weitergehen. Dann sah sie, dass die Tür des Backsteingebäudes aufging. Commissioner Williams kam die Stufen heruntergestürmt und wandte sich dann in Richtung der Third Avenue. Es ist an der Zeit, dich zu entscheiden, was dir wirklich wichtig ist, hörte sie wieder Phoebes Worte. Haven fing an zu rennen.
Adam fing sie im Foyer des Gebäudes ab.
»Bist du etwa den ganzen Weg vom Hotel bis hierher gerannt?«, scherzte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass meine Gesellschaft so begehrenswert ist.«
»Ich hab eben Commissioner Williams gesehen«, sagte Haven, während sie nach Luft schnappte. »War das dein Siebenuhrtermin? War er hier, um über Beau zu reden?«
Adam ließ sie los. »Ich habe dir vorhin nichts davon gesagt, weil ich nicht wollte, dass du dich grundlos aufregst. Es gibt Neuigkeiten. Möchtest du dich vielleicht setzen?«
Haven sah sich um. Ihre früheren Körper mochten jetzt vielleicht in Brooklyn ruhen, aber der Anblick des Gebäudes jagte ihr noch immer einen Schauder über den
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