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Alles Ist Ewig

Alles Ist Ewig

Titel: Alles Ist Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Miller
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genießen?«
    »Ich fürchte, mir ist der Appetit vergangen«, brummte Haven.
    Sie waren inzwischen auf der anderen Seite des Madison Square Parks angelangt und vor ihnen ragte das Flatiron Building auf, als Haven stehen blieb. Das dreieckige Hochhaus war ein paar Jahre vor Constance Whitmans Geburt errichtet worden. Als kleines Mädchen hatte Constance den Wolkenkratzer, der zu den berühmtesten Gebäuden der Welt zählte, immer bestaunt. Haven sah vor ihrem geistigem Auge, wie heftige Windböen die Röcke der Frauen aufflattern ließen und Männer in altmodischen Dreiteilern ihre Hüte festhielten und darauf warteten, einen Blick auf den Fußknöchel einer der Damen zu erhaschen.
    »Darf ich fragen, woran du gerade denkst?«, fragte Adam, und die Vision verschwand. »Du hattest gerade einen sehr merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.«
    »Manchmal vermischen sich in meinem Kopf Vergangenheit und Gegenwart«, erklärte Haven. »Dann habe ich immer für einen Moment das Gefühl, den Verstand zu verlieren.«
    »Das geht uns allen so«, versicherte Adam ihr. »Die Zeit ist eben nicht die gerade Linie, als die die meisten Leute sie sich vorstellen.«
    An einem anderen Tag, in einer anderen Stimmung hätte sie ihn vielleicht gebeten, das genauer zu erläutern. »Du machst mir Kopfschmerzen«, sagte sie jedoch stattdessen nur.
    »Entschuldige bitte. Was hältst du davon, wenn wir doch nicht ins Restaurant gehen? Hättest du Lust auf einen längeren Spaziergang?«
    Hatte sie nicht. Dafür trug sie nicht die passenden Schuhe, und ihr dünnes Kleid und der Wollmantel waren kein ausreichender Schutz vor der Kälte. Aber Haven wusste, dass sie nicht Nein sagen durfte. Ein romantischer Spaziergang wäre die perfekte Gelegenheit, den schrecklichen Auftrag auszuführen, den Phoebe ihr erteilt hatte.
    »Wo willst du denn hingehen?«, fragte Haven, die den Gedanken an ihr vorheriges Gespräch zu verdrängen versuchte.
    »Hier lang. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Sie schlenderten nach Westen in Richtung des Hudson River. Die fünfundzwanzigste Straße war von Antiquitätenläden und Schaufensterpuppen-Manufakturen gesäumt. Hinter einem Metallgitter, mit dem einer der Läden gesichert war, sah Haven eine Wand, an der etwa hundert wunderschöne, kahle Frauenköpfe aus Kunststoff befestigt waren. Jeder Gesichtsausdruck war anders: einige lächelten, andere wirkten düster und zurückhaltend – wie eine Zuschauermenge, die sich über die Qualität der Show nicht einig war. Sie hatten fast die Tenth Avenue erreicht, als Adam vor dem rostigen Tor eines alten Stadthauses aus rötlich braunem Sandstein stehen blieb. Er bückte sich und löste einen Backstein aus der Wand. Hinter dem Stein lag ein Schlüssel.
    »Da sind wir«, verkündete er, während er das Tor aufschloss. »Mach dir keine Sorgen, ich darf hierherkommen, wann immer ich will. Na, komm, du wirst schon sehen.«
    »Wem gehört dieses Haus?«, wollte Haven wissen. Ein schmaler Weg führte in einen Garten. Sie betrat den Durchgang und ließ das Tor hinter sich zufallen.
    »Einem sehr alten Mann namens Matteo Salvadore. Er ist ein Freund von mir. Komm.«
    Der Garten hinter dem Gebäude war karg. Es gab keine Bäume oder Pflanzen, nur vom Mondlicht erhellte Marmorstatuen. Sie wirkten so real, dass es genauso gut echte Frauen hätten sein können, die ein Zauber zu Stein hatte erstarren lassen. Adam näherte sich einer von ihnen. Es war die Statue eines tanzenden Mädchens. Ihr Kleid, in Falten um ihren Körper drapiert wie ein antikes Gewand, schmiegte sich an jede Kurve. Ihr langes lockiges Haar wallte offen durch die Luft, und der Blumenkranz, den sie darin trug, hatte sich gelöst und drohte zu Boden zu fallen. Adam streckte die Hand aus und strich über den kalten, toten Arm der Statue. Es war das erste Mal, dass Haven sah, wie seine Augen beim Anblick einer anderen Frau zu funkeln begannen.
    »Erkennst du das Mädchen?«, fragte er.
    »Nein«, erwiderte Haven, die plötzlich einen Anflug von Eifersucht auf dieses wunderschöne Wesen verspürte, das vielleicht tatsächlich einmal gelebt hatte. »Sollte ich? Ist das jemand, den ich kenne?«
    »Das bist du.«
    »Ich?«
    »So hast du ausgesehen, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich habe dich in den Gärten hinter dem Palast deines Vaters auf Kreta tanzen sehen.« Er lächelte bei der Erinnerung daran. »Weißt du, was ich gemacht habe, als ich dich dort gesehen habe, wie du dich zu einer Musik, die nur du in deinem Kopf

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