Alles Ist Ewig
war, komplett mit Kopf, bernsteinfarbenen Glasaugen und blank polierten Reißzähnen. Der Rest der Einrichtung – schwere, samtgepolsterte Sessel, Regale voller ordentlich aufgereihter, in Leder gebundener Bücher, ein altes Paar Boxhandschuhe, das neben dem Kamin hing, Kristallkaraffen, zur Hälfte mit Scotch gefüllt – wirkte, als wäre sie direkt aus der Wohnung eines Junggesellen aus dem Jahr 1910 gestohlen worden.
Über dem Kaminsims hing ein Porträt. Es zeigte einen lässig-eleganten Mann Anfang dreißig. Er trug das Haar zurückgekämmt und hatte ein verschmitztes Grinsen im Gesicht. Daneben war auf einem gerahmten Cover des Motion Picture -Magazins eine Zeichnung desselben Manns im Tweedjackett zu sehen. Er hielt eine Pfeife in der Hand, und von seinem Mund stiegen ein paar blassblaue Rauchschwaden auf. Wallace Reid. Der Stummfilmschauspieler, der Calum behauptete, in einem früheren Leben gewesen zu sein. Haven fiel plötzlich auf, dass das gesamte Apartment mit den Sachen eines Toten dekoriert war. Calum hatte seinem früheren Ich einen Schrein errichtet.
In einem der zwei kleinen Schlafzimmer fand Haven Beaus Koffer aufgeklappt auf dem Bett. Er wirkte voll, und Beau hatte sogar sein Portemonnaie zurückgelassen. Nichts deutete auf einen Kampf hin, und die Schlafzimmertür hatte kein Schloss.
»Es tut mir leid, Haven.«
Haven fuhr herum und sah, dass Adam hinter ihr stand. Mit seinem zeitlosen schwarzen Mantel und dem dunkelgrauen Schal passte er perfekt zu der antiken Einrichtung. Er sah müde aus, und Haven fragte sich, ob er wohl ahnte, was sie fühlte – dass die Verbindung zwischen ihnen schwächer wurde. Mia hatte Haven die Augen geöffnet, genauso wie Iain es einst für sie getan hatte. Haven hatte erkannt, dass Adams Verwandlung nichts als eine Inszenierung gewesen war, um sie für sich zu gewinnen. Und jetzt, da sie einen Blick hinter die Kulissen geworfen hatte, wusste Haven, dass sie seine Taten von nun an mit anderen Augen sehen würde.
»Gordon Williams hat mich angerufen, bevor sie die Wohnung durchsucht haben«, sagte er. »Ich muss gestehen, dass die Nachricht ein ziemlicher Schock für mich war. Ich hätte nie gedacht, dass Calum mich derart hintergehen würde.«
Haven verschränkte die Arme und betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Hattest du irgendwas mit all dem zu tun, Adam? Padma hat mir erzählt, dass Calum Daniels dein kleines Schoßhündchen ist.«
»Wann hast du denn mit Padma Singh gesprochen?«
»Sie ist mir heute Nachmittag in ein Diner gefolgt. Sie verlangt Geld dafür, dass sie den Mund hält.«
Ein mörderischer Ausdruck zuckte über Adams Gesicht. »Um Padma werde ich mich schon noch kümmern. Ich hätte es gleich heute Morgen getan, aber deine Angelegenheit war dringlicher. Padma weiß genug, um mir eine ganze Menge Ärger zu machen, aber sie weiß nicht alles , Haven. Und sie weiß absolut gar nichts über Calum Daniels.«
»Vielleicht solltest du mir dann erzählen, was es über ihn zu wissen gibt.«
Adams ließ seinen Blick kurz durch die Wohnung schweifen, bevor er zu erzählen anfing. »Calums Mutter hat ihn vor zehn Jahren zur Ouroboros-Gesellschaft gebracht. Bis dahin war mir nie der Gedanke gekommen, Kinder aufzunehmen. Doch diese Frau akzeptierte einfach kein Nein. Sie hatte sich gut und gerne ein Dutzend Geschichten über die vergangenen Leben ausgedacht, an die ihr Sohn sich erinnerte. Der Junge hatte ihre Lügen so oft gehört, dass er selbst angefangen hatte, sie zu glauben. Seine Mutter wollte mit aller Macht, dass Calum etwas Besonderes war. Ich aber wusste vom ersten Moment an, dass er noch nie zuvor gelebt hatte.«
»Dann war Calum gar nicht Wallace Reid?« Plötzlich erschien ihr Calums Schrein nur noch erbärmlich.
Adam betrachtete das Bild des Stummfilmschauspielers mit der Pfeife. »Nein, obwohl seine Mutter damit eine beinahe prophetische Wahl getroffen hat. Ich kannte Wallace Reid. Und Calum teilt viele seiner Schwächen mit ihm.«
»Also ist Calum kein Ewiger. Hast du ihn dann aus Mitleid aufgenommen?«
»Nun, wir wissen beide, dass meine Absichten damals alles andere als ehrenwert waren. Calum war ein liebenswertes Kind – und geradezu ausgehungert nach Zuneigung. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt und er saugte gierig jedes bisschen Zuwendung auf, das ich ihm zuteil werden ließ. Ich habe Calum erlaubt, Mitglied zu werden, weil ich dachte, dass seine blinde Ergebenheit sich eines Tages als nützlich
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