Alles Ist Ewig
Beatrice rechnete fest damit, dass im nächsten Moment Adams Leiche auf die Straße geworfen werden würde. Doch die Männer waren gekommen, um etwas abzuliefern.
Sie zogen zwei Leichen von dem Haufen auf ihrem Karren und legten sie auf das Pflaster. Adams Diener gab den Männern ein paar Münzen, und der Karren rumpelte weiter, über seinen Rand schlackerten Arme und Beine. Beatrice eilte auf die Straße. Ihre Kleider waren nass und die Leiber aufgedunsen, doch sie erkannte die beiden toten Männer sofort. Pieros Haut war frei von den hässlichen schwarzen Beulen, wie sie die Menschen aufwiesen, die der Pest zum Opfer gefallen waren, doch über seine Kehle verlief ein blutloser Schnitt. Bevor Adams Diener sie davon abhalten konnte, sank Beatrice auf die Knie und presste ihre Wange auf die Brust ihres toten Bruders. Den unmenschlichen Schrei, der sich ihrer eigenen Kehle entwand, hörte sie nicht.
Haven erwachte auf dem Boden. Adams Männer hatten Piero getötet. Und er hatte Haven glauben lassen, sie selbst sei schuld an seinem Tod. Keines von beidem würde sie ihm jemals vergeben können. Haven würgte und hätte sich übergeben, wenn sie denn irgendetwas im Magen gehabt hätte. Der Raum war so voller Rauch, dass sie die dreizehn Gestalten durch die Schwaden kaum ausmachen konnte. Irgendjemand in der Mitte des Kreises ließ eine hastige Salve von Wörtern los, die für Haven keinen Sinn ergaben.
»Was ist das für ein Qualm?«, hörte Haven Frances fragen. »Wir müssen sie beide ins Krankenhaus bringen.«
»Ruhe!«, befahl Phoebe. »Ich muss die Prophezeiung hören.«
»Leah ist krank! Sie redet doch nur Kauderwelsch!«, rief Frances.
»Das ist kein Kauderwelsch. Das ist die Sprache des alten Kreta«, stellte eine der Horae richtig. »Sie ist seit mehr als zweitausend Jahren nicht mehr gesprochen worden.«
»Sie hat eine junge Frau mit einem alten Namen gesehen«, begann Phoebe zu übersetzen. »Diese Frau hat die Krankheit in einem Labor geschaffen, und sie hat nicht allein gearbeitet. Sie ist Teil einer großen Gruppe. Ihren Mitgliedern wurde einst versprochen, dass sie eines Tages die Welt beherrschen würden, doch dann hat ihr Führer sie im Stich gelassen. Jetzt wollen sie die Macht, die ihnen zugesagt worden war, und sie sind überzeugt, dass sie dazu Gewalt anwenden müssen. Sie glauben, dass der Zweck die Mittel heiligt. Ihr Schicksal ist das Schicksal Amerikas.«
Stille breitete sich im Raum aus. Haven rappelte sich hoch und taumelte zu dem Kreis aus Frauen hinüber. Ihre eigene Vision hatte sie geschwächt, aber Leahs hatte geradezu verheerende Folgen. Die Augen des Mädchens waren geschlossen, seine Lippen reglos. Frances legte ihr eine Hand auf die Brust, um zu fühlen, ob sie noch lebte.
»Mein Gott, sie atmet nicht mehr!«, schrie Frances.
»Schnell. Holt meine Tasche«, befahl Phoebe einer der Horae. »Wir müssen die Prophezeiung beenden.«
Einen Moment später kam die Frau mit einem schwarzen Arztkoffer wieder. Phoebe holte eine kleine Ampulle mit einer farblosen Flüssigkeit heraus und füllte eine Spritze damit.
»Was wollen Sie ihr geben?«, verlangte Haven zu wissen.
»Schlangengift.«
»Das wird sie umbringen!«
»Es wird sie wiederbeleben«, knurrte Phoebe. »Sie ist keine von euch.«
Das Gift strömte durch Leahs Adern. Sie öffnete den Mund und nahm einen langen, verzweifelten Atemzug.
»Flora.« Der Name schien aus ihrem tiefsten Inneren aufzusteigen. »Der Name des Mädchens ist Flora.«
»Nein!«, keuchte Haven.
»Du kennst die Person, die die Krankheit geschaffen hat?«, fragte Phoebe. »Wo ist sie? Sie muss sterben, bevor sich die Prophezeiung erfüllen kann.«
»Ihr könnt Flora nicht töten!«, widersprach Haven. »Sie ist doch nur ein kleines Mädchen. Sie hat niemandem etwas getan!«
»Sie ist noch ein Kind?«, fragte Phoebe.
»Eins von denen, die Adam rekrutiert hat«, erklärte Haven. »Sie ist Mitglied der Ouroboros-Gesellschaft. Sie ist in Halcyon Hall.«
»Das sind sie alle.« Leah sprach jetzt wieder normal. »Alle, die an der Erzeugung dieser Krankheit beteiligt sein werden, gehen in Halcyon Hall zur Schule. Ihr Anführer ist Milo Eliott.«
Leahs Augenlider schlossen sich flatternd.
»Wenigstens kennen wir jetzt den Plan des Magos«, sagte Phoebe, die sich nun wieder Haven zuwandte. »Du dachtest also, diese Schule wäre über jede Kritik erhaben? Daran hat er also die ganze Zeit gearbeitet. Wenn wir den Magos nicht aufhalten
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