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Alles ist mir nicht genug

Alles ist mir nicht genug

Titel: Alles ist mir nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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und der Kunstgriff, das Bild so nah heranzuholen,
dass es beinahe abstrakt wirkte, und dann so weit herauszu- zoomen, dass Jenny
und Nate zu einem sich windenden Fleck im weißen Schnee zusammenschrumpften.
Das war die Arbeit von Vanessa Abrams, da war Dan sich ganz sicher.
    Er schaltete den
Computer aus. Es widerte ihn an, sich das Ganze überhaupt so lange angesehen zu
haben, aber noch mehr widerten ihn Vanessa und Jenny an. Wieso waren die beiden
solche... Dan griff unwillkürlich nach seinem schwarzen Notizbuch. Ihm war ein
neues Wort eingefallen, mit dem er die Assoziationsübung beginnen konnte: schlampen.
     

 
    ein guter alter kumpel
wird angezündet
    Man sollte
meinen, an einem so abgeschiedenen Ort wie Mount Desert vor der Küste von Maine
könnte man sich schnell etwas einsam fühlen, aber viele der ältesten und
wohlhabendsten New Yorker Familien besaßen riesige Ferienhäuser auf der Insel,
und ihre Sprösslinge hatten hier seit dem Kleinkindalter miteinander gespielt.
Die meisten gingen inzwischen auf Nobelinternate an der Ostküste, und wenn sie
sich in den Ferien auf der Insel wiedersahen, hatte das etwas von einem
Klassentreffen. Am 4. Juli versammelte sich immer eine Riesentruppe unten am
Strand, um Lagerfeuer zu machen und verbotene, aus Kanada eingeschmuggelte
Feuerwerkskörper zu zünden, und an Heiligabend kamen traditionell zwei von
Nates Uraltfreunden bei den Archibalds vorbei, um im »Jagdzimmer« Bong zu
rauchen.
    Das Jagdzimmer
war mit Eiche getäfelt, der Boden bestand aus Schieferplatten, die durch eine
Fußbodenheizung erwärmt wurden. Es gab einen hohen, aus Natursteinen gemauerten
Kamin, und an den Wänden hingen die beeindruckenden Geweihe der Hirsche und
Elche, die Nates Großvater eigenhändig erlegt hatte. Die Bar aus Eichenholz
war mit alten schottischen Whiskys und seltenen europäischen Cognacs bestückt,
und unter einem kostbaren Perserteppich verbarg sich eine Falltür, die zum
Weinkeller führte. Die Mitte des Raums nahm ein uralter Pool-Billardtisch aus
Mahagoni mit aufwändig geschnitzten Beinen ein, der mit rotem Filz bespannt
war.
    Nates Freunde
brachten die Rauchware, er selbst stellte seine Wasserpfeife zur Verfügung. Er
hatte sie, seit er dreizehn war, und das Glas war mit bunt bedruckten Kinder-
Heftpflastern voll geklebt. Als er sie hervorholte, lächelten seine Freunde versonnen;
so wie man einen guten alten Kumpel anlächelt, der im Leben schon so manche
krasse Geschichte mitgemacht hat.
    »Ey, Alter«,
sagte John Gause, der das Piece mitgebracht hatte. »Tut echt gut, dich
wiederzusehen!«
    John hatte
eine braune Schaffellweste, ausgewaschene Jeans und verschrammte braune
Cowboystiefel an. Kein besonders cooler Look, wenn man nicht zufällig der
Marlboro Man oder Ralph-Lauren-Model ist, und John war keins von beidem.
    Er war eine
Woche vor den Prüfungen wegen Dealens aus Deerfield geschmissen worden und
gerade erst von einem zehntägigen Aufenthalt auf einer Psycho-Ranch in Wyoming
zurückgekehrt, wohin ihn seine Eltern geschickt hatten, damit er Werte wie
Ehrlichkeit, Vertrauen und Achtung vor seinen Mitmenschen lernte.
    Nate stopfte
die Bong und reichte sie an Ryan O'Brien weiter, der zwar erst fünfzehn war,
aber noch mehr kiffte als Nate und John zusammen. Nachdem Ryan es geschafft
hatte, in der ersten Woche aus der St.-Jude-Schule zu fliegen, war er auf der
Hanover Academy gelandet, dem Internat, auf dem auch Serena gewesen war.
    »Ich glaub, du
bist gewachsen«, sagte Nate. »Findest du nicht auch, dass Ryan ziemlich
erwachsen aussieht, John?«
    Ryan hielt
sein brennendes Feuerzeug über den Pfeifenkopf und nahm einen tiefen Zug. Er war
fast einsneunzig groß und hatte schwarze schulterlange Locken. Seine Frisur war
ähnlich wie die von Flow, nur waren Ryans Haare fast noch dunkler.
    »Maul
halten!«, knurrte er und zog sich seine ultraweiten grauen Snowboarderhosen von
Burtons über die Hüften hoch.
    Nate wartete
darauf, dass Ryan die Bong an ihn weiterreichte. Draußen ging inzwischen die
Sonne unter und die Fensterscheiben glühten rosa. Es hatte diesen Winter schon
viel geschneit und das riesige Haus versank fast in einer zweieinhalb Meter
hohen Schneewehe. Nirgends jaulten Autoalarmanlagen oder röhrten vorbeifahrende
Busse. Es herrschte absolute Stille. Aber wenn er sich sehr anstrengte, hörte
Nate entfernt den Ozean gegen die Klippen branden. Er liebte dieses Geräusch.
Manchmal lag er nachts einfach nur auf seinem Bett und lauschte nach

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