Alles kam ganz anders
wo…“
„Ich weiß wo!“ rief ich. „Die Mutter sitzt hier neben mir!“ Er notierte Simones Namen, und zwei Tage später kam ein dicker Scheck. Simone gab Mama die zweihundert Mark, die Papa ihr als Vorschuß bezahlt hatte, der Rest kam auf ihr Sparkonto.
„Wenn ich bloß bald beide Arme gebrauchen könnte!“ seufzte Mama. „Ich habe doch so viele zu klein gewordene Kleidungsstücke von Marcus, die ich so schön für Titine zurechtmachen kann! Ich garantiere dir. daß du dann ein Jahr lang gar nichts für sie zu kaufen brauchst!“
„Zu schön, um wahr zu sein!“ strahlte Simone. „Allerdings habe ich hin und wieder etwas für sie geschenkt bekommen, aber manchmal muß ich ja kaufen, und Kinderkleidung ist schandbar teuer! Aber ob du Zeit dafür haben wirst?“
„Solange du hier bist, werde ich ja mit Volldampf nähen können“, meinte Mama. „Es hängt nur von meinem blöden Arm ab!“
„Aber wenn der wieder brauchbar ist, braucht ihr mich wohl nicht mehr?“ fragte Simone zaghaft.
„Darüber werden wir sprechen, wenn unsere Männer zurück sind“, sagte Mama. „Wir brauchen dich unbedingt, aber es kommt ja darauf an. ob du es so lange hier aushältst.“
„Ich höre immer aushalten!“ rief Simone. „Ich bleibe, bis ihr mich mit Brachialgewalt rausschmeißt!“
„Dann dauert es etwas“, sagte Mama trocken. „Mein linker Arm wird sich noch lange nicht für Brachialgewalt eignen!“
„Mein Glück!“ lachte Simone.
Wiedersehen und Weihnachten
An einem klaren, kalten Dezembertag begleitete ich Mama zum Arzt. Als sie im Sprechzimmer verschwand, fing ich an. die Daumen zu drücken, und das tat ich so intensiv, daß ich selbst beinahe eine chirurgische Behandlung brauchen konnte! Ich hatte das Gefühl, als ob meine armen Daumen zuletzt gelb und grün waren!
Ich ließ sie erst los. als Mama mit einem strahlenden Lächeln erschien. Ihr linker Arm lag noch im Dreieckstuch – aber ohne Gips! Sie hatte nur einen Stützverband, und die ganze Hand war frei! Sie war überglücklich.
„Denk dir. jetzt kann ich das Weihnachtsbacken mitmachen, und ich kann Marcus’ Hosen flicken und ich kann…“
„Mama!“ sagte ich streng. „Was hat der Arzt nun gesagt? Bitte die Wahrheit und nichts als die Wahrheit!“
„Nun ja… ich soll natürlich vorsichtig sein… und Massagen bekommen und nur leichte Arbeit machen.“
„Also, keinen Teig ausrollen, keinen Eimer heben, nicht mit dem Staubsauger hantieren, stimmt das?“
„Ja. so ungefähr, aber…“
„Lieber Himmel“, seufzte ich. „Wie werden Simone und ich auf dich aufpassen müssen!“
„Ich werde vernünftig sein, Elainchen! Das muß ich nämlich, damit ich noch vor Weihnachten wieder Auto fahren kann!“
„Glaubst du, daß du das schaffst? Du willst natürlich zum Flughafen und Papa abholen, stimmt das?“
„Das stimmt unbedingt. In ein paar Tagen darf ich den ersten Versuch machen, beim Autofahren brauche ich ja hauptsächlich die rechte Hand. Ich werde eine Probefahrt auf unserer ruhigen kleinen Straße machen, und dann…“
„Und dann geht es am zwanzigsten Dezember nach Hannover, das ist mir klar. Mama, machst du auch Striche im Kalender?“
„Das nicht gerade, aber ich zähle die Stunden!“ Ich guckte auf die Uhr.
„Es sind nur noch dreihundertvierundsechzig“, sagte ich.
Zum erstenmal seit Anfang des Schuljahres mußte Mama mich ermahnen: „Bist du mit den Schularbeiten fertig, Elaine? Sollst du nicht übermorgen deinen Aufsatz fertig haben? Wie ist es mit deinen Mathematikaufgaben?“
Dann mußte ich mit einem schweren Seufzer den Backtisch verlassen und mich in die Mathematikaufgaben stürzen.
„Sag mal. Elaine“, fragte Mama. „Dein Lateinlehrer, wie heißt er nun gleich – ja richtig. Buchental war es –, hat der Kinder?“ „Ja, vier, glaube ich. Wieso, warum mußt du das wissen?“
„Laß das meine Sache sein. Geh du zu deiner Mathematik!“
Ich ging. Und dabei gehört das Weihnachtsbacken zu meinen Lieblingsbeschäftigungen! Seit ich fünf war, durfte ich mitmachen, ich stand auf einem Hocker und rollte Teig aus mit einem Puppen-Teigroller und kam mir ungeheuer wichtig und unentbehrlich vor. Ich war in Feststimmung!
Aber dieses Jahr mußte ich alles, sogar die Back-Feststimmung, opfern!
Als ich am folgenden Tag aus der Schule kam, duftete es ganz himmlisch im Haus. Der Duft kam aus der Küche. Da standen zwei riesengroße Torten – ich erkannte sie sofort, es waren die berühmten
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