Alles oder nichts
eilig, fortzukommen. Ich ging unmittelbar nach dem Abendessen weg. Genügt Ihnen diese Erklärung?«
»Ich will mich damit zufriedengeben. Aber etwas anderes. Hier im Hause lebten drei Frauen. Mrs. Devarest, Mrs. Croy und Nollie Starr. Kann der Schal nicht auch Nollie Starr gehören?«
»Nein«, erklärte er entschieden.
»Sind Sie ganz sicher?«
»Nein, völlig sicher bin ich nicht«, räumte er dann ein.
»Lassen Sie den Schal einmal sehen.«
Er rührte sich nicht sofort von seinem Platz, aber nach ein paar Sekunden erhob er sich mit sicheren und geschmeidigen Bewegungen von seinem Stuhl und ging ins Schlafzimmer. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen. Während er in den Schrankraum ging, um den Schal herauszuholen, trat ich an den Frisiertisch, griff mit Daumen und Zeigefinger in die Bürste, die dort lag und zog eine Anzahl Haare aus den Borsten. Ich wickelte sie schnell um den Zeigefinger und schob sie in die Tasche. Mit dem Schal in der Hand trat Bayley aus der Kammer heraus. Ich ging auf ihn zu, nahm ihm das Seidentuch aus der Hand, stellte mich unter die Lampe und betrachtete es genau. Dann reichte ich ihm das Tuch.
»Es ist nichts daran zu finden, was einen Hinweis gibt, welcher der Damen er gehört«, sagte er, um mich herauszufordern, und schob den Schal in seine Seitentasche.
»Er gehört Jeannette, der Zofe von Mrs. Devarest.«
Er konnte seine Verblüffung nicht verbergen.
»Verlassen Sie sich darauf, er gehört Jeannette«, versicherte ich nachdrücklich.
»Warum glauben Sie das?«
»Die Farbe paßt nicht zu Mrs. Devarests Teint. Das Material ist so billig, daß Mrs. Croy ihn nie tragen würde, und Miss Starr kommt, wie Sie selbst behaupten, nicht in Betracht. Also bleibt nur Jeannette übrig. Er duftet übrigens nach dem gleichen Parfüm, das sie benutzt.«
»Wollen Sie mich zum Narren halten?« fragte er wütend.
»Ich zeige Ihnen nur die Tatsachen auf.«
Ich ging in das Wohnzimmer zurück und setzte mich nieder. Er blieb stehen, blickte auf seine Uhr und erwartete anscheinend, daß ich nun gehen würde.
Ungerührt drückte ich meine Zigarette im Aschenbecher aus und fragte in beiläufigem Ton: »Das war wohl eine üble Zeit für Sie, als Sie im Bau saßen?«
»Darauf können Sie sich verlassen«, gab er zu. Dann erst kam ihm die Bedeutung seiner Antwort zum Bewußtsein. Er starrte mich mit wutverzerrtem Gesicht an. »Sie verfluchter Schnüffler mit Ihrer verdammten Fragerei! Sie...«
»Schon gut, schon gut«, beruhigte ich ihn. »Als die Polizei die Fingerabdrücke nehmen wollte, da habe ich an Ihrem Verhalten gleich erkannt, daß Sie etwas zu verbergen haben. Setzen Sie sich wieder hin, und berichten Sie mir alles.«
»Also gut. Ich habe gesessen. Was ist schon dabei? Es steckt sowieso nicht viel dahinter.«
»Was war es denn?«
»Scheckbetrug. Jedesmal, wenn ich mich betrank, verlor ich die Selbstkontrolle und stellte ungedeckte Schecks aus. Die Beträge waren nicht sonderlich hoch, zehn, fünfzehn, manchmal auch fünfundzwanzig Dollar. Gewöhnlich kamen immer rund hundert Dollar zusammen. Wenn ich dann wieder nüchtern war, wurden die Schecks bei der Bank vorgelegt und platzten. Ich stellte dann immer fest, wem ich die Schecks gegeben hatte und brachte die Angelegenheit wieder in Ordnung.«
»Haben Sie die Schecks ausgelöst?«
»Dazu hatte ich kein Geld.«
»Auf welche Weise denn?«
»Ah, es gab verschiedene Methoden.«
»Jedenfalls zahlten Sie Ihre Schulden zurück.«
»Natürlich, bis auf den letzten Cent. Die Leute, die meine Schecks angenommen hatten, hielten sie zurück, und ich sparte von meinem Verdienst, bis ich sie einlösen konnte. Oder ich arbeitete meine Schulden ab, wenn das möglich war.«
»Ohne daß Sie sich in der Zwischenzeit wieder so betranken?«
»Das kam nur alle vier oder fünf Monate einmal vor. Aber wenn ich trank, besorgte ich es gründlich. Ich bin nun einmal so veranlagt.«
»Und dann wurden Sie dabei doch erwischt?«
»Es traf mich aus heiterem Himmel. Meine Schecks platzten, und mein Chef warf mich hinaus, weil ich nicht zur Arbeit erschien.«
»Hat er Sie denn bei früheren gleichartigen Anlässen nicht schon hinausgeworfen?«
»Nein. Er hat mir jedesmal eine Standpauke gehalten, und ich versprach hoch und heilig, daß es nicht wieder Vorkommen werde. Aber das letzte Mal war es schlimmer gewesen als früher. Ich war auch länger fortgeblieben.«
»Wie lange?«
»Drei Tage.«
»Als was arbeiteten Sie?«
»Als Chauffeur.«
»Zu
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