Alles paletti
aufstand, um sich auf den Weg zu machen, verkündete ihm ein leiser Stich in der Brust die Botschaft, die einzugestehen er bis jetzt zu vermeiden gesucht hatte. Er hatte sich verliebt oder so etwas in der Richtung.
Lisa und Karl Lemmon, in ihrem Altersheim in Florida, machten sich Sorgen. Ihre Tochter Jeannie, die bei ihnen war, versuchte alle paar Stunden, die Umzugsfirma anzurufen, doch jedes Mal sagte ihr die gleiche Frau wieder dasselbe. Es war Chen, die mitteilte, dass sich auf Grund unvorhergesehener Umstände alles verzögert habe. In den beiden letzten Tagen
hatten sie in der Lobby des Seniorenheims Mountain Ridge gesessen, auf den Springbrunnen und den Rasen hinausgesehen, waren bei warmem, angenehmem Wetter spazieren gegangen, hatten sogar die Straße zum kleinen Geschäftszentrum überquert und sich dort in ein Café gesetzt. Doch ihr Hab und Gut traf nicht ein, und inzwischen nagten ernsthafte Zweifel und Befürchtungen an ihnen. Lisa hatte am Tag zuvor schon mit kummervollem Blick zu Jeannie gesagt: »Wir werden unsere Sachen nicht mehr zu Gesicht kriegen, und in gewissem Maß ist das gerecht. Wir haben unser Haus geräumt, und das war’s. Alles wird auf dem Müll landen. Wir sterben ohnehin bald.«
Jeannie entgegnete: »Aber wieso denn?«
Doch Lisa fuhr fort: »Es tut mir hauptsächlich um Papas Bildersammlung leid. Sie war schon einige Cents wert.«
Schlomi, im Chevrolet-Suburban-Jeep, ist für Chaims Mobiltelefon und für das Kartenstudium zuständig. »Wir sind schon Jahre nicht mehr zusammen auf eine Langstreckentour gegangen, was, Chaim? Wie viel wir früher mal abgeklappert haben!«
»Erinnere mich bitte nicht an diese Zeiten«, knurrt Chaim.
Sie haben in Chicago übernachtet, beim dicken Arik. Arik hat sich über die zwei dreisten Lümmel ausgelassen, wie er gleich im ersten Moment gecheckt hat, dass sie kleine Bastarde sind. Wie sie es wagen konnten, Chaim so was anzutun, der sie praktisch aufgezogen, ihnen ein Zuhause gegeben hat. Chaim sagte nicht viel, aber Arik assistierte ihm dabei, innerlich weiterzukochen. Als sie am Morgen aufbrachen, sagte Arik: »Chaim, jede Hilfe. Ehrlich. Von mir aus kannst du mich mitten in der Nacht mit einem Laster starten lassen, Bruder. Ich werde dir helfen, okay? Und bei Gelegenheit, wenn du mit
ihnen fertig bist, wenn du mal dazukommst, bereinigst du bei mir die tausendfünfhundert, die du mir von dem Move nach Michigan schuldest, ja?«
Jetzt klingelt das Telefon. In der Leitung ist Uncle Sam, der zu wissen verlangt, wann ihn Chaim abholen kommt. Chaim sagt zu Schlomi: »Bestell ihm, dass wir uns fertigmachen und gleich zu ihm kommen.« Schlomi lacht.
Sie befinden sich auf dem Highway Nr. 80, fahren von Chicago nach Norden durch Wisconsin und dann nach Minnesota hinein. Chaim sagt: »Diese Russen, die haben was drauf, was?«
Schlomi erwidert: »Sie haben Verstand und keinen Gott. Hab ich dir von dem einen in Brighton Beach erzählt, der seine Frau und Tochter umgebracht hat, als wir gekommen sind, um den Umzug für die beiden zu machen? Mit wem war ich bei diesem Job zusammen?«
»Mit Jonsy. Du hast es tausendmal erzählt und er an die zweitausendmal. Die haben was drauf, eh? Nicht wie die Chinesen.«
Schließlich, nach ein paar weiteren Stunden Fahrt, erzählte Schlomi Chaim von dem Plan. Er kratzte sich am Kopf unter der Kipa, unter der Alabama-Kappe, und sagte: »Ich dachte, sie seien gute Kerle, aber jetzt sehe ich, dass sie fucking idiots sind, und ich habe nichts zu verheimlichen. Sie haben schon beim letzten Trip davon geredet.«
»Im Ernst? Was haben sie gesagt?«, fragte Chaim erschüttert.
»Sie waren sauer wegen dem permanenten Ärger bei den Trips. Weil du und Michel Argamani den Kunden ständig Sachen versprecht, die unmöglich einzuhalten sind, und dann
die Schuld auf die Mover abwälzt. Solche Dinge haben sie frustriert.«
»Ich soll so was gemacht haben? Vielleicht Michel, aber ich?«, protestierte Chaim entrüstet.
»Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass solche Sachen im Moving eben passieren. Man redet mit dem Kunden über ein Datum, aber was soll man machen, manchmal kann es dauern.«
»Was war denn dann der Plan?«
»Das habe ich nicht mehr mitgekriegt. Ich habe nur gehört, dass sie einen Plan ausbrüten.«
»Du warst nicht dabei?«
»Gott bewahre!«, wehrte Schlomi ab.
»Du bist mit ihnen im Laster gesessen, du hast gehört, wie sie Pläne geschmiedet haben, mich zu bestehlen, und du warst nicht
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