Alles paletti
Aufmerksamkeit der Leute an den Nachbartischen auf ihn lenkte. Daraufhin wandte sich der schnurrbärtige Dicke an sein Publikum und sagte: »Der Kerl hat mich jetzt schon dreimal, in drei verschiedenen Staaten, gefragt, ob ich einen blauen Lastwagen gesehen habe, wo Sababa Moving and Storag’e draufsteht. Vielleicht findet er diesen Laster jetzt bald mal und lässt mich in Frieden? Hahaha!«
Da machte einer am Nebentisch, ein Lkw-Fahrer mit einer Nylonjacke und einer Baseballkappe von den Redskins, den Mund auf: »Ich glaub, ich hab diesen Laster gerade gesehen. Draußen.«
»Was??« Pozailov stand mit zwei Schritten neben ihm.
»Ja. Fast sicher. Ich glaube, die Fahrer sind an der Bar dort drüben.«
Pozailov schoss einen Blick in Richtung der Bar ab. Und da sah er sie.
Sie hatten ihn eine Sekunde früher gesehen und sprinteten bereits auf die Tür zu. Die Frau an der Theke schrie: »He, ihr habt nicht bezahlt!«, was eine Bedienung aus dem Restaurant dazu veranlasste, aufzuspringen und ihnen nachzustürzen. Jonsy und Izzi rannten, so schnell sie konnten, zum Lastwagen. Pozailov, der endlich restlos aufgewacht war, setzte ihnen nach und brüllte unterm Laufen: »Popeye! Popeye! Komm her! Ruf Vladimir, schnell!« Popeye schrie zurück: »Was ist los?« Er steckte hinter ein paar Lastwagenreihen. Pozailov brüllte wieder: »Sie sind da, hier sind sie, ich sehe sie!« Er rannte mit aller Kraft, hielt mit einer Hand seine Brille auf den Nasenrücken gepresst. Jonsy und Izzi näherten sich inzwischen dem Lastwagen, bogen blitzschnell zwischen zwei Parkreihen ein. Pozailov hinkte nur wenige Meter hinterher und ihm auf den Fersen die Bedienung aus dem Flying J. Nun hatte Popeye die Reihen umrundet und stürzte von der anderen Seite her in die Lastwagengasse. Jonsy und Izzi hörten Pozailov hinter ihnen schreien: »Lass, Popeye, ich erledige das hier allein, geh, ruf Vladimir, schnell!« Izzi und Jonsy, die weiterjagten, begriffen nicht, weshalb Popeye vor ihnen plötzlich verschwand, doch sie hatten keinen anderen Gedanken, als den Lastwagen zu erreichen, durchzustarten und wegzukommen. Und da war er. Jonsy hielt die Schlüssel schon in der Hand, machte einen Satz hinauf, steckte sie ins Schloss, riss die Tür auf. Izzi schoss auf die andere Seite, während sich Jonsy hinaufschwang, auf den Fahrersitz plumpste, seine Tür zuknallte und versperrte, sich auf die Beifahrerseite warf, um Izzi die Tür aufzustoßen, den Zündschlüssel hineinrammte und den Motor anließ. Nun war Pozailov auf gleicher Höhe mit ihm angelangt, sah ihn von unten an, stieg auf die Stufe der Fahrerkabine und donnerte mit der Faust ans Fenster. Izzi rief: »Fahr! Fahr doch endlich!
« Jonsy begann aus dem Parkplatz auszuscheren, während Pozailov immer noch auf der Stufe hing und ans Fenster hieb. Er schrie etwas, wohl für Popeye bestimmt, wobei er zum Gebäude des Flying J zurückschaute. Jonsy nutzte diese Sekunde. Er öffnete das Fenster, während er gleichzeitig abrupt auf die Bremse trat, um Pozailov aus dem Gleichgewicht zu bringen, erhob sich ein wenig von seinem Sitz und stieß ihn mit beiden Händen mit aller Kraft weg. Der überrumpelte Pozailov versuchte, Jonsys Hände zu fassen zu kriegen, doch es gelang ihm nicht, und er krachte zu Boden. Jonsy drückte aufs Gaspedal. Durch das immer noch offene Fenster hörte er: »He, Moment, ihr habt nicht bezahlt …« Ohne hinzusehen sagte er zu Izzi: »Fahr einen Zwanziger her, schnell, für diese Nervensäge, fürs Essen.« Er nahm kurz den Fuß vom Gas und warf der Bedienung den Geldschein hinaus, der langsam wie ein Blatt hinuntertrudelte, bis er auf dem Boden aufkam. Im Spiegel sah Jonsy, wie sich die Bedienung bückte, um ihn aufzuheben. Er erreichte die Auffahrt auf den Highway und fuhr. Egal, wohin, einfach fahren. Er und Izzi sagten kein Wort, beiden hämmerte das Herz in der Brust wie ein Maschinengewehr. Nach einer Weile bemerkte Jonsy schließlich: »Wir müssen den Laster umspritzen lassen, sofort.« Und nach einer kurzen Pause: »Verdammte Arschwichser, wir haben nicht mal den Nachtisch geschafft.« Izzi, immer noch atemlos, gab keine Antwort. Er starrte auf den phosphoreszierenden Seitenstreifen der Straße. Ihm war nicht fröhlich zumute. Dafür war er nicht nach Amerika gekommen. Er kannte diesen Schweiß, er hatte einen speziellen Geruch, eine besondere Ausdünstung. Angst. Seine Finger klebten am Ohrläppchen, drehten rastlos den Ohrring hin und her.
In Chaim Galils
Weitere Kostenlose Bücher