Alles Sense
Fröhlichkeit.
»Erst seit kurzer Zeit«, antwortete Poons. Er nahm den Wechsel von Thema und Ton mit Erleichterung zur Kenntnis. »Es ist völlig anders, als ich es mir vorgestellt habe.«
»Du gewöhnst dich daran«, meinte Arthur Winkings alias Graf Notfaroutoe bedrückt. »Das gehört zu den Vorteilen der Existenz als Untoter. Es ist so einfach wie der Sturz von einer Klippe. Wir alle hier sind untot.«
Lupine hüstelte.
»Bis auf Lupine«, fügte Arthur hinzu.
»Ich bin eine Art ehrenamtlicher Untoter«, erklärte der haarige junge Mann.
»Weil er ein Werwolf ist«, erläuterte Arthur.
Windle nickte. »Ich habe ihn auf den ersten Blick als Werwolf erkannt.«
»Immer bei Vollmond«, sagte Lupine. »Ich kann nicht anders.«
»Die Verwandlung, ich weiß. Dir wachsen Haare, und du beginnst zu heulen.«
Alle Anwesenden schüttelten den Kopf.
»Äh, nein«, widersprach Lupine. »Es ist eher so, daß ich nicht mehr heule und mir das Haar ausfällt. Eine ziemlich peinliche Angelegenheit.«
»Aber ich dachte, daß bei Vollmond ein normaler Werwolf…«, begann Windle.
Doreen unterbrach ihn. »Lupines Problem besteht darin, daß es bei ihm genau umgekehrt passiert.«
»Im Grunde genommen bin ich ein Wolf«, sagte der junge Mann. »Lächerlich, nicht wahr? Immer bei Vollmond werde ich zu einem Wolfsmenschen. Die restliche Zeit verbringe ich als gewöhnlicher Wolf.«
»Meine Güte!« entfuhr es Windle. »Muß ein ziemlich großes Problem sein.«
»Ja«, bestätigte Lupine. »Am schlimmsten ist die Sache mit der Hose.«
»Äh, tatsächlich?«
»Und ob. Menschliche Werwölfe haben es da viel leichter. Sie behalten einfach ihre Kleidung. Ich meine, sie zerreißt hier und dort, aber zumindest ein Teil von ihr bleibt am Körper. Was mich betrifft… In der einen Sekunde sehe ich den Vollmond, und in der nächsten gehe und spreche ich plötzlich und bin in Schwierigkeiten, weil’s mir an einer Hose fehlt. Deshalb muß ich dauernd irgendwo geeignete Kleidungsstücke bereitliegen haben. Herr Schuh…«
»Nenn mich Reg…«
»… hat immer eine Hose für mich versteckt, und zwar dort, wo er arbeitet.«
»Ich arbeite in einer Leichenhalle unweit der Ulmenstraße«, sagte Herr Schuh. »Und ich schäme mich deshalb keineswegs. Es ist die Mühe wert, einen Bruder oder eine Schwester zu retten.«
»Bitte?« fragte Windle. »Retten?«
»Ich bin es, der die Zettel an der Innenseite von Sargdeckeln befestigt. Man kann nie wissen. Ich vertrete den Standpunkt, daß sich der Versuch immer lohnt.«
»Klappt es oft?« Windle sah sich in dem Zimmer um. Es war ein recht großer Raum, und acht Personen hielten sich darin auf – neun, wenn man die Stimme unter dem leeren Stuhl einer Person zurechnete.
Doreen und Arthur wechselten einen Bück.
»Bei Artore hat es geklappt«, sagte Doreen.
»Entschuldigt bitte.« Windle zögerte kurz und überwand dann seine Verlegenheit. »Ich habe mich gefragt, äh… Seid ihr vielleicht Vampire?«
»Stimmt«, erwiderte Arthur. »Leider.«
»Ha!« Doreen fauchte fast. »So solltest du nicht reden. Deine noble Abstammung ferdient es, schtolz darauf zu sein.«
Arthur runzelte andeutungsweise die Stirn. »Sie ferdient Schtolz?«
»Bist du von einer Fledermaus oder so gebissen worden?« fragte Windle hastig, um einem Familienstreit vorzubeugen.
»Nein«, antwortete Arthur. »Von einem Anwalt. Tja, ich bekam da so einen Brief. Mit protzigem Siegelwachs drauf und so weiter. Blablabla… Urgroßonkel… blablabla… der einzige noch lebende Verwandte… blablabla… möchten wir unser herzliches Beileid aussprechen… blablabla. Im einen Augenblick bin ich Arthur Winkings, ein Aufsteiger im Obst- und Gemüse-Großhandel. Und im nächsten bin ich Arthur, Graf Notfaroutoe, Besitzer von über fünfzig Morgen Klippen, die selbst für Gemsen zu steil sind, sowie Eigentümer eines Schlosses, das sogar von den Küchenschaben aufgegeben wurde. Darüber hinaus lädt mich der Bürgermeister zu einem Gespräch über seit dreihundert Jahren fällige Steuern ein.«
»Ich hasse Anwälte«, sagte die Stimme unter dem leeren Stuhl. Es klang traurig und hohl. Windle zog die Beine näher zum eigenen Stuhl.
»Es far ein gutes Schloß«, meinte Doreen.
»Es war eine verdammte Ruine«, betonte Arthur.
»Die ein hervorragendes Panorama bot.«
»Ja, und zwar durch jede Mauer.« Arthur ließ ein Fallgatter auf den Pfad der Konversation herab. »Ich hätte es schon wissen sollen, noch bevor wir das Anwesen
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