Alles Sense
erreichten. Nun, als die Kutsche wendete, dachte ich: ›Damit hast du vier Tage vergeudet, noch dazu während der Hochsaison.‹ Tja, dann denke ich nicht mehr daran. Und erwache plötzlich im Dunkeln. Ich liege in einer Kiste, entdecke Streichhölzer, entzünde eins und sehe einen Zettel am Deckel. Darauf steht…«
»Niemand kann von einer Leiche verlangen, tot zu sein«, sagte Herr Schuh stolz. »So lautete einer meiner ersten Slogans.«
»Mich trifft keine Schuld«, behauptete Doreen steif. »Drei Tage lang hast du föllig reglos dagelegen.«
»Für den Priester war’s ein ziemlicher Schock«, meinte Arthur.
»Ach, Priester!« entfuhr es Herrn Schuh. »Die sind alle gleich. Dauernd erzählen sie einem, daß es ein Leben nach dem Tod gibt, aber wenn man sie beim Wort nimmt… Dann sind sie plötzlich entsetzt.«
»Ich mag auch keine Priester«, ertönte die Stimme unter dem Stuhl. Windle fragte sich, ob nur er sie hörte.
»Pfarrer Welegares Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen«, sagte Arthur kummervoll. »Dreißig Jahre lang habe ich regelmäßig den Tempel besucht. Die Gemeinde respektierte mich. Meine Güte, mir tun die Beine weh, wenn ich jetzt auch nur daran denke, jemals wieder ein religiösen Zwecken dienendes Gebäude zu betreten.«
»Als du den Sargdeckel beiseite geschoben hast…«, sagte Doreen. »Der Priester hätte nicht fluchen dürfen. Solche Formulierungen dürften in seinem Wortschatz gar keinen Platz haben.«
»Der Tempel hat mir immer gut gefallen«, fuhr Arthur sehnsüchtig fort. »Er gab einem etwas für den Mittwoch.«
Windle begriff erst mit einigen Sekunden Verzögerung, daß Doreen doch in der Lage zu sein schien, ein W wie ein W auszusprechen.
»Bist du ebenfalls ein Vampir, Frau Win…« Poons verbesserte sich hastig. »Ich meine, Gräfin Notfaroutoe?«
Die Gräfin lächelte. »Darauf gebe ich dir mein Fort.«
»Sie ist durch Heirat Vampir geworden«, erklärte Arthur.
»Ach?« erwiderte Windle erstaunt. »Ich dachte immer, man müßte gebissen werden.«
Die Stimme unter dem Stuhl kicherte.
»Ich weiß nicht, warum nach dreißig Jahren Ehe jemand meine Frau beißen sollte«, sagte der Graf.
»Esch gehört sich für jede Frau, die Hobbys ihres Mannes zu teilen«, entgegnete Doreen. »Dadurch bleibt die Ehe intereschant.«
»Wer will eine interessante Ehe? Ich habe nie darauf hingewiesen, daß ich eine interessante Ehe möchte. Das ist das Problem mit den Leuten von heute: Sie erwarten Dinge wie interessante Ehen. Außerdem ist es kein Hobby.« Arthur stöhnte. »Das Leben als Vampir hat erhebliche Nachteile. Man kann nicht ins Tageslicht. Man muß Knoblauch meiden. Das Rasieren fällt einem schwer…«
»Warum fällt einem das…«, begann Windle.
»Weil es unmöglich ist, einen Spiegel zu benutzen«, antwortete Arthur sofort. »Ich dachte, wenigstens das Verwandeln in eine Fledermaus böte gelegentlich ein wenig Abwechslung, aber die Eulen in dieser Gegend haben immer Hunger. Was die Sache mit dem Blut betrifft…« Er sprach nicht weiter.
»Artore ischt nie sehr geschellig gefesen«, sagte Doreen. »Esch fällt ihm schfer, unter Leute zu gehen.«
»Und dann muß man die ganze Zeit über Abendkleidung tragen«, fügte Arthur hinzu. Er wechselte einen kurzen Blick mit Doreen. »Ich bin sicher, es ist nicht obligatorisch.«
»Esch gilt, ein gefisses Nifeau zu halten«, meinte die Gräfin. Abgesehen von ihrem Akzent, der offenbar ganz nach Belieben kam und ging, hatte sie offenbar beschlossen, ihr Erscheinungsbild den eigenen Vorstellungen von einer Vampirin anzupassen. Ihre Aufmachung bestand aus einem hautengen schwarzen Gewand, langem dunklem Haar mit einem mitten in der Stirn spitz zulaufenden Ansatz und sehr hellem Make-up. Von der Natur war sie mit einer kleinen, dicklichen Statur, krausem Haar und rötlicher Haut ausgestattet worden. Was bedeutete: Es gab gewisse Anzeichen für einen Konflikt.
»Ich hätte im Sarg bleiben sollen«, sagte Arthur.
»O nein«, widersprach Herr Schuh. »Damit macht man es sich zu leicht. Die Bewegung braucht Leute wie dich, Arthur. Wir müssen ein Beispiel geben. Denk an unser Motto.«
»Welches Motto meinst du, Reg?« fragte Lupine resigniert. »Wir haben so viele…«
»Untot ja – Unperson nein!« zitierte Herr Schuh.
»Nun, er meint es nur gut«, sagte Lupine nach der Versammlung.
Er und Windle wanderten durch die graue Morgendämmerung. Die Notfaroutoes waren schon früher aufgebrochen, um zu Hause zu sein, bevor
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