Alles total groovy hier
antwortete ich.
»Oh.« Sie schaltete einen Gang runter, trat die Bremse.
»Das ist jetzt kein günstiger Augenblick.«
»Wann wäre denn einer?«
»Später. Wir haben sie oben ... « Alma zögerte eine Sekunde, während sie ein anderes Wort für >eingesperrt< suchte, »... untergebracht. Weil sie in ihrem Zustand einer Situation wie dieser nicht gewachsen wäre. Kristof«, sie nahm meinen Arm, und ich zog ihn augenblicklich wieder aus ihrem Griff, »wir beide wissen, das Alice eigentlich in eine Anstalt gehört. Nur, da würde sie zu- grunde gehen. Also tun wir hier für sie, was wir können. Dein Interesse an ihr in allen Ehren, aber, Kristof, es ist nicht gut für sie, kannst du mir das nicht einfach glauben?«
Ich nickte mein vertrauensvollstes Nicken.
»Schön, dass wir das geklärt haben. Und wenn du jetzt zurück an deinen Platz gehen könntest? Pierfrancesco wirkt ein bisschen überfordert, allein.«
Aber klar doch.
Schon im nächsten tiefen Schatten zwischen zwei Funzeln schlug ich einen Haken, Richtung Alter Käserei. Viel ungestörter würde ich Alice so bald nicht mehr zu sprechen kriegen. Keine zwanzig Schritte, und ein Lkw bog durch das Tor, Leroy am Steuer. Sein Schweinwerferkegel erfasste erst mich und dann Roxanne, die aus dem Leuchtturm gerannt kam und »Es geht los!« schrie, bevor sie zum Bootshaus sprintete. Nur Sekunden später heulte der Außenborder auf, schoss das Boot in gewagter Schräglage aus dem Tor und hinaus aufs Meer, mit Roxanne am Steuer und Armand und Obutu im Bug.
Leroy wendete den Lkw, setzte ihn zurück bis auf den Strand. Die Rücklichter waren aufgeschraubt, die Birnen entfernt, wie mir auffiel, auf dem Weg zurück zu meinem Posten am Feuer. Niemand sollte vom Meer aus rote Lichter vom Strand wegfahren sehen. Nicht dumm, zeigte aber gleichzeitig auch, wie eng es gleich werden konnte.
Wortlos lehnten Scuzzi und ich Äste gegeneinander, schürten die Flammen für ein möglichst hohes Leuchtfeuer. Jeder Gedanke, jetzt irgendetwas anderes zu tun, war wie weggeblasen.
Es dauerte nicht lang, vielleicht zehn Minuten, und das Motorgeräusch kam zurück, nur diesmal mit einer gepressteren, angestrengteren Note. Die weiße Bugwelle leuchtete auf, das Schlauchboot wurde sichtbar, in voller Fahrt, tief im Wasser und vollgepackt mit kauernden Gestalten. Im letzten Augenblick erst nahm Roxanne das Gas weg und der harte Kunststoffkiel schob sich den Strand hoch. Armand und Obutu sprangen an Land und halfen gemeinsam mit Rolf und Friedrich einem zittrigen, schwankenden Flüchtling nach dem anderen von Bord.
Es waren samt und sonders Schwarzafrikaner, in Panik und ohne Orientierung. Viele wollten sofort in die Nacht entschwinden, blindlings, nur weg vom Meer, nur rein nach Europa.
»Scuzzi! Kristof! Scheucht sie hier herüber!« Leroy wartete am Lkw, den ich, warum auch immer, erst jetzt wiedererkannte. »Macht schon!«
Wir bildeten rasch eine Kette, Scuzzi, Alma und ihre Helferinnen und ich, die Frauen bewaffnet mit den Fresspaketen in weißen Tüten, denen niemand widerstehen konnte. Leroy schrie und winkte pausenlos alles zu sich heran, sodass schließlich die komplette Schar ihren Weg zum Lkw und hinauf auf seine Ladefläche fand. Es war exakt derselbe Allradlaster, mit dem die Strandhunde abtransportiert worden waren. Und irgendetwas daran - vielleicht nur der Umstand, dass er sich nicht in Bewegung setzte - machte die Flüchtlinge unruhig. Obutu, Armand und Friedrich hatten alle Hände voll zu tun, sie am Abspringen und Davonrennen zu hindern. Das führte dazu, dass Leroy und Alma mit Roxanne rausfahren mussten, um den Rest der Illegalen überzusetzen. Die zweite Anlandung endete in einem noch größeren Tumult als die erste. Schuld war eine dralle junge Frau in einem langen Wickelrock, die komplett hysterisch wieder und wieder versuchte, sich zurück ins Meer zu stürzen. Schreiend, tobend, völlig durchnässt wurde sie schließlich von ihren eigenen Mitflüchtlingen gepackt und nicht eben sanft auf den Lkw verfrachtet.
Der Motor sprang an, ein Gang knirschte und der Laster rumpelte davon, nahm das Weinen und Kreischen der Frau mit sich.
Scuzzi und ich schoben das Schlauchboot zurück in die Dünung, Roxanne wendete waghalsig und verschwand mit Vollgas in der Nacht.
Wir Zurückgebliebenen beeilten uns nun, alles an verräterischen Spuren im Sand zu zertrampeln, angefangen mit denen der Lkw-Reifen und des Schlauchbootkiels und endend in einer großen Polonaise, die die
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