Alles über Elfen (German Edition)
Zwerge.
Blütenfeen
Ebenfalls mit »an Bord« des Palasts der Hohen waren die sogenannten Bewahrer. Ein klangvoller, seriöser Name für handspannengroße Wesen mit Schmetterlingsflügeln und kindlich-albernem Gemüt. Ich unterstellte den Pinis einen gewissen Hang zur Ironie, dass sie ausgerechnet diesen Geschöpfen die Fähigkeit zugeschrieben haben, andere vor dem Zahn der Zeit und den Schrecken des Alters zu behüten – allerdings dergestalt, dass die Bewahrer eine klebrige Substanz spucken und daraus einen Kokon weben können, in dem die darin Eingewobenen in einen tiefen Schlaf verfallen. Wer würde nicht davon träumen, wohlbehalten in Feenrotz für die Ewigkeit dahinzuschlummern?
Ich halte also noch einmal ausdrücklich fest: Wem dicke Romane zu anstrengend sind, der findet bei aufmerksamer Lektüre in den grafischen Erzählungen der Pinis eine erstaunlich vollständige Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Elfologie.
Die erste Ikone elfischer Niedlichkeit: Glöckchen (alias Tinker Bell)
Wir leben in einer Gesellschaft, die immens von visuellen Eindrücken geprägt ist – und zwar spätestens seit dem Siegeszug der bewegten Bilder in Film und Fernsehen. Dass Legolas aus der Adaption von Tolkiens Herr der Ringe zum »Standardelf« geworden ist, hängt ja klar ersichtlich mit diesem Sachverhalt zusammen. Darüber sollte man jedoch nicht vergessen, dass sich der Elf in seiner Inkarnation als kleine, niedliche Fee hartnäckig im öffentlichen Bewusstsein hält. Eine Figur, die daran nicht ganz unschuldig ist, schaffte – ganz ähnlich wie Legolas – den Sprung aus einem Buch auf die große Leinwand, wenn auch viele Jahrzehnte früher. Die Rede ist von Tinker Bell (im Deutschen oft auch Glöckchen oder seltener Naseweis und Klingklang genannt), der Begleiterin von Peter Pan. [Plischke: Tinker Bell hat genau genommen zwei mediale Sprünge hingelegt – die Urform von Peter Pan ist ein Theaterstück aus dem Jahr 1904, das von seinem Verfasser John M. Barrie erst eine Weile später in Romanform weiterverarbeitet wurde. ] Ich mag den englischen Namen ehrlich gesagt lieber, weil in ihm das Elfische deutlicher mitschwingt – das »Tinker« bezieht sich nämlich darauf, dass Tinker Bell bei aller emotionalen Sprunghaftigkeit und Wankelmütigkeit Menschen bisweilen auch dadurch Gutes tut, dass sie ihnen Töpfe und Pfannen repariert. [Plischke: Das »Bell« wiederum rührt daher, dass sie eine Elfensprache spricht, die sich für ungeübte Ohren wie das Klingen kleiner Glöckchen anhört.] Zugegebenermaßen kann man sie sich beim Kesselflicken nur schwer vorstellen, wenn man ihre berühmteste visuelle Umsetzung vor Augen hat – die aus dem Disneyfilm aus dem Jahr 1953. Im knappen grünen Glitzerkostümchen umflattert sie mit ihren Libellenflügeln Peter Pan als – Pardon – Prototyp des blonden Dummchens. Ich befürchte, wenn Tolkien nicht gewesen wäre, wäre sie bis heute genau das geblieben, was die meisten Leute unter einer Fee oder einer Elfe verstünden. Ein schauderhafter Gedanke.
Historisch betrachtet ist Tinker Bell selbstverständlich ein Zeugnis jener Auffassung, wie eine ordentliche, familienfreundliche Elfe im viktorianischen England nun einmal zu sein hatte: verspielt, harmlos und liebreizend anzusehen. Insofern muss man der Disneyproduktion zumindest zugestehen, dass sie es schafft, die in den Elfen angelegte (und auch im Original bereits vorhandene) Ambiguität geschickt zum Ausdruck zu bringen: Immerhin ist Tinker Bell dort so eifersüchtig auf Wendy – das Menschenmädchen, das Peter zu sich nach Nimmerland holt –, dass sie sich anfangs eifrig darum bemüht, für Wendys Ableben zu sorgen. [Christiansen: Wenn ich mich recht entsinne, bringt sie auch schon im Theaterstück welche der »verlorenen Jungs« dazu, Pfeile auf Wendy zu schießen. Harmlos. Dass ich nicht lache. Sie ist eben insgeheim genauso verschlagen wie alle Elfen.] Andererseits unterstützt sie Peter, den sie geradezu abgöttisch liebt, nach besten Kräften – ihr also einen generellen Menschenhass zu unterstellen, wäre fehl am Platz. [Plischke: Barrie erklärt dieses wechselhafte Verhalten übrigens dadurch, dass Feen aufgrund ihrer geringen Größe nicht dazu in der Lage sind, mehr als ein Gefühl auf einmal in sich zu bergen. Eine etwas kühne These, wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf.]
Bei aller Verniedlichung behält Tinker Bell auch eine andere wichtige Eigenschaft, die sie klar als in der Nähe von Elfen
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