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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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Nach ein paar Wochen bekommt mein Mann einen nervösen Husten: Er sorgt sich, es könnte Lungenkrebs sein. Sein Zeh ist taub, ist das nicht ein Zeichen für MS? Und ich sage nur: »Lass dich untersuchen.« Denn die junge Frau ist tot. Ersparen wir uns doch all das Tamtam und Trara, wir könnten wieder zusammenkommen. Lass uns bloß nicht wieder damit anfangen. Diesmal nicht. Diesmal lass uns trauern.
    Ich bin zu stolz. Das weiß ich. Und in meinem Stolz beobachtete ich ihn – meinen fantastischen, dummen Mann -, wie er durchs Leben eierte. Aber ich bot ihm nicht meine Hilfe an.
    Wo ist der Schlüssel für den Schuppen wann wirst du zu Hause sein würdest du eine Packung Plastikklingen für den Flymo kaufen?
    Die junge Frau war die ganze Zeit über bei uns. Tot oder lebendig. Sie stand an der Bushaltestelle an der Ecke, sie saß in unserem Wohnzimmer und sah sich Big Brother an, sie wurde Tag für Tag in den Abendnachrichten beerdigt.
    Ich glaube die Milch ist sauer wann wirst du zu Hause sein ich will wirklich nicht dass die Kinder Fernseher in ihren Zimmern haben .

    Nachdem ich das einen Monat lang durchgehalten hatte, betrachtete ich meinen Mann und stellte fest, dass er gealtert war. Es war nicht über Nacht geschehen; es war in dreißig Nächten oder so geschehen. Mein Mann hatte dem Tod die Hand geschüttelt. Und was noch? Er hatte darüber nachgedacht. Hatte gedacht, dass es im Grunde genommen gar nicht so schlecht wäre, tot zu sein. So wie sie.
    Immer wenn ich nachts aufwachte, war auch er wach. Einmal hörte ich ihn wieder weinen; diesmal unter der Dusche. Er glaubte wohl, der Wasserlärm würde es übertönen. Ich lauschte, wie er schluchzte und in dem Wasserstrahl beinahe erstickt wäre, und mir wurde klar, dass es Zeit war, meinen Stolz hinunterzuschlucken. Es war Zeit, ihn heimzuholen.
    Am Samstag nach dem Einkauf im Supermarkt zog ich meinen guten Mantel und meine Lederhandschuhe an. Und setzte sogar einen Hut auf – meinen Trauerhut. Und als mein Mann fragte: »Wohin fährst du?« – denn weiß Gott, ich fahre nie irgendwohin, ohne vorher eine Karte zu zeichnen -, antwortete ich: »Ich besuche ein Grab.«
    Ich hatte einen wunderschönen Strauß weißer Lilien, alle in Cellophan eingewickelt. Den nahm ich von der Küchentheke und ging an meinem Mann vorbei, drückte die Lilien an meine Schulter und ging an meinem Mann vorbei, der gealtert war – und als ich zur Tür hinausging, drehte ich mich nicht um.
    Sie war ihm nicht wichtig, das weiß ich. Ich weiß, dass sie ihm nicht wichtig war. So ging ich also zum Friedhof und suchte nach ihrem Grab. Ich lief zwischen den Grabsteinen
umher, bis ich es fand. Die Lilien legte ich auf den Erdboden, unter dem sie ruhte, und sagte ihr, wie wichtig sie sei. Dann ging ich nach Hause und sagte zu meinem Mann. Dann ging ich nach Hause und sagte zu Kevin:
    »Wollen wir Ostern nicht etwas unternehmen, was meinst du? Etwas Schönes. Wohin würdest du gern fahren?«

Ehefrau
    Die Verkäuferin im Zeitungsladen war neu, und Noel brauchte eine Weile, bevor er bemerkte, dass ihr die Kehle aufgeschlitzt worden war. Die Narbe war noch etwas gerötet, und Noel fragte sich, wer ihr das wohl angetan hatte. Die Narbe war hufeisenförmig, größer als von einem chirurgischen Eingriff, dachte er. Mit einer solchen Narbe musste man aufpassen, dass man nicht den Kopf nach hinten warf – das verdammte Ding könnte abfallen.
    »Und eine Tüte Malteser, danke.«
    Er wollte sehen, wie sie es tat. Idiot, der er war, wollte er sich einen kleinen Scherz erlauben und sie zum Lachen bringen, das breite, dekadente Lachen der Fünfzigerjahre – eine Frau mit scharlachrotem Mund, die den Kopf nach hinten wirft, während sie eine Zigarette ausdrückt. Du bist vielleicht’ne Nummer .
    »Vier Euro zehn«, sagte die Frau mit der Narbe, und Noel gab ihr einen Fünfer.
    Natürlich trug sie keinen scharlachroten Lippenstift; die Frau war ein verblasstes Geschöpf in einem blau karierten Nylonmantel. Trotzdem brachte sie ihn ziemlich auf Trab. Noel wusste nicht, wie oft er sie schon gesehen hatte – er
holte dort immer nur die Wochenendzeitungen, manchmal auch einen halben Liter Milch, wenn sie keine mehr hatten, und eine Tüte Malteser für seine Frau. Außerdem wechselten die Verkäuferinnen hinter dem Tresen ständig, er nahm nicht einmal mehr die gut aussehenden wahr – was traurig war, aber so ist das eben. Erst auf halber Strecke nach Hause wurde ihm klar, dass es die gut aussehenden

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