Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
glauben, mit der Entgegennahme dieser Geschenke (einer Jetbrosche, eines Turmalinkämmchens) bekunde sie ihr Einverständnis mit mir und meinen Aufmerksamkeiten? Jedes dargebrachte und in Empfang genommene Geschenk sei ein Eintrag zu meinen Gunsten im Rechnungsbuch unserer Annäherung? Ich machte mir Hoffnungen, gewann sogar ein gewisses Vertrauen und begann, über eine geeignete Gelegenheit nachzudenken, um sie zu bitten, meine Frau zu werden.
Sie bot sich an einem linden Nachmittag im März. Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit; ja, es war der erste schöne Tag seit Wochen. Auf dem Collegegelände gab es ausgedehnte Wege, die vor diesem besonderen Nachmittag noch mit Schnee bedeckt waren und bald matschig sein würden; an diesem Tag jedoch, zwischen Winter und Frühling, war der Boden fest genug für einen Spaziergang.
Wir ließen das Haus der Familie Bliss hinter uns, und ich führte Etna dorthin, wo die Spazierwege begannen, schon dieser Marsch länger als alle, die wir bisher unternommen hatten. Ich befand mich in einem Zustand großer Nervosität, wie das wohl bei jedem Liebenden der Fall wäre, der im Begriff ist, der Geliebten einen Heiratsantrag zu machen, aber ich faßte Mut, als Etna nicht einen Moment zögerte, die Wanderwiesen zu betreten. Ich glaube, ihr fiel gar nicht auf, wo sie war, so stark war sie von Ruhelosigkeit erfüllt, als würden in ihren Gliedern die Säfte gären, die in den Ahornbäumen rund um uns herum aufstiegen.
Wir schlugen den Weg am Fluß entlang ein, der an diesem Tag brodelndes Hochwasser führte. Nicht nur die Luft war mild, auch die Farben waren es – das Blau des Himmels milchig, die scharfen Konturen der Bäume verwischt in der weichen Luft. Etna hielt beim Gehen ihre Röcke gerafft, trotzdem waren die Säume bald durchnäßt. Aber das schien sie überhaupt nicht zu stören. Im Gegenteil, sie schritt in ziemlich flottem Tempo aus, als hätte sie ein festes Ziel. Sie trug einen blau, grau und braun karierten Rock und dazu ein passendes kurzes Cape mit grauem Kaninchenkragen. Wenn sie ihre Röcke raffte, erhaschte ich bisweilen einen Blick auf das dichte Gefältel schwerer cremefarbener Unterröcke.
»Uphams Kurzgeschichten gefallen mir nicht besonders«, sagte sie. »Ich dachte, ich würde sie mögen, aber das ist nicht der Fall. Er hat eine so pedantische, verschnörkelte Sprache, die mir gar nicht zusagt.«
»Ah, ja«, sagte ich nur, denn sie hatte diese Abneigung schon früher erwähnt.
»Was für ein wunderbarer Duft. Wissen Sie, was das ist?«
Ich roch nur den Fluß.
»Und wie ist er auf die Idee gekommen, eine Figur zu schaffen, die so blind ist, daß sie nicht einmal die wahre Bedeutung der eigenen Worte durchschaut?«
»Ich denke, das ist ein Kunstgriff.«
»Und was bezweckt er damit?«
»Er möchte uns einen Menschen zeigen, der sich selbst etwas vormacht.«
»Also, von derartigen Kunstgriffen halte ich gar nichts. Das führt doch nur dazu, daß der Leser dem Erzähler mißtraut. Woher sollen wir wissen, was wirklich geschehen ist? Und außerdem kann kein Mensch sich so über sich selbst täuschen.«
»Glauben Sie?« fragte ich.
»Ich glaube, der Frühling hat Sie heute nachmittag durcheinandergebracht, Nicholas. Sie sind so zerstreut wie sonst nie.«
»Ja, vielleicht«, meinte ich.
Nach einer halben Stunde gelangten wir zu einer geschützten Stelle, wo ein Felsvorsprung ein Dach bildete, unter dem wir kurz haltmachen konnten, um die Landschaft vor uns zu betrachten – eine Weite rostfarbener Gräser, noch gebeugt von der erst kürzlich von ihnen genommenen Last von Schnee und Eis. Etna war mir unter das Felsdach gefolgt; vielleicht brauchte sie eine Atempause. Ihre Beine waren an so viel Bewegung nicht gewöhnt. Die Hände in den Taschen meines Mantels, unter der Weste schweißnaß (ich war viel zu warm angezogen), trat ich einen Schritt auf sie zu. Sie erlaubte mir diese Nähe, während wir eine Schar Stare beobachteten, die in eigenwilliger Konstellation am Flußufer kreiste.
»Meine liebe Etna«, begann ich.
Ich vermute, meine Stimme hatte einen unbeabsichtigt ehrerbietigen Ton, denn sie drehte sich sogleich mit verwunderter Miene zu mir um. Sie schob die Hände unter ihren Umhang. Im Laub auf dem Boden hörte ich ein Rascheln – ein Eichhörnchen?
»Ich muß eine Angelegenheit von höchster Bedeutung mit Ihnen besprechen«, fuhr ich fort und hielt inne. Es lief nicht wie geplant; meine Worte klangen nach einer geschäftlichen
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