Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
»Ich vermute, Ferald und seine Frau gehen hier schwimmen«, sagte ich.
    Flüchtig sah ich Ferald vor mir, wie er in einem der Liegestühle am Beckenrand saß und seiner Frau Millicent zusah, die ausschließlich zu seinem Vergnügen nackt im Wasser herumpaddelte. Ich versuchte sofort, das Bild zu verscheuchen, nicht nur seiner Obszönität wegen, sondern weil es auch das weit beglückendere Bild von Etna mit der Toga und den Trauben verdrängt hatte. Ferald hatte tatsächlich etwas Verderbtes an sich – etwas Schlüpfriges, Sittenloses, hätte man vielleicht sagen können –, und während ich jetzt versuche, mir diesen Abend ins Gedächtnis zu rufen und eine Erinnerung zu Papier zu bringen, merke ich, daß sich immer wieder das Abbild dieses Gesichts in den Vordergrund schiebt.
    Etna bückte sich, um das Wasser zu berühren, das im Schein der elektrischen Lichter funkelte. Sie ließ ihre Finger spielerisch über die Oberfläche gleiten und verlor sich einen Moment in Gedanken. Vielleicht erinnerte sie sich an einen unserer gelungenen Ausflüge ans Meer.
    Zufrieden ließ ich meinen Blick auf ihr ruhen. »Erinnerst du dich an etwas Schönes?« fragte ich nach einer Weile.
    Sie sah zu mir hinauf.
    »Du«, sagte ich. »Jetzt eben. Es sah aus, als hättest du eine schöne Erinnerung.«
    »Ich habe viele schöne Erinnerungen, Nicholas«, erwiderte sie.
    »Ich hoffe, es sind einige dabei, in denen ich vorkomme«, sagte ich.
    Sie richtete sich auf und schüttelte das Wasser von ihren Fingern. »Natürlich habe ich schöne Familienerinnerungen«, sagte sie mit Bedacht.
    Sie ging über die Fliesen am Beckenrand zu einem Korbstuhl, der nah am Wasser stand, und setzte sich. Ihr Rock rutschte ein wenig in die Höhe. Vom Anblick der kupferfarbenen Fesseln angelockt, setzte ich mich in den Stuhl neben ihr. An der Wand gegenüber standen viele Pflanzen, die in der feuchten Wärme der Halle prächtig gediehen. Etnas Haar ringelte sich an den Schläfen. Ich neigte mich zu ihr und ergriff ihre Hand.
    »Ist es dir denn so wahnsinnig wichtig?« fragte sie.
    »Dein Glück, meinst du?«
    »Nein, ich meinte die Stellung. Als Vorstand des College.«
    »Ja. Ja, ich denke schon«, antwortete ich. »Ich bin ein ehrgeiziger Mensch.«
    »Aber doch nicht übermäßig.«
    »Ich habe diesen Posten schon seit einigen Jahren im Auge.«
    »Du wirst mehr arbeiten müssen.«
    »Ich betrachte es als eine Herausforderung.«
    »Ja, natürlich«, sagte sie mit einem Lächeln.
    »Was ist so erheiternd?«
    »Ich habe mich gerade erinnert, wie wir zum erstenmal in der Kimball Street zusammen Tee getrunken haben. Damals sagtest du, du wärst bereit, Jahre auf Noah Fitchs Posten zu warten. Ich war beeindruckt von deiner Geduld.«
    »Das scheint so lange her zu sein«, sagte ich, in Gedanken bei jenem schönen Nachmittag. »Ich weiß noch, daß du von Newman gesprochen hast.«
    »Ja, und du warst erstaunt, daß ich von dem Mann überhaupt gehört hatte«, gab Etna zurück.
    »Das stimmt, ja. Ich weiß, ich hätte es nicht sein sollen. Das ist mir heute klar. Du hast von Freiheit gesprochen.«
    »Ja?« Sie entzog mir ihre Hand. »Vielleicht sollten wir jetzt lieber zurückgehen. Man wird uns vermissen.«
    »Bleib noch einen Moment«, sagte ich, noch nicht bereit, sie den anderen zu überlassen.
    Ich wollte meiner Frau etwas sagen. Jetzt, nach all den Jahren. Das gekräuselte Wasser in Verbindung mit einem gewissen Element der Gefahr machte mich waghalsig. Und obwohl ich mir einer strengeren, vernünftigeren Stimme in mir bewußt war, die nein rief, zog es mich unwiderstehlich in die Gefahr. »Ich wünschte …«, begann ich.
    Etna wandte sich mir zu. Sie wartete. »Was wünschtest du, Nicholas?« fragte sie schließlich.
    Ich versuchte, die Worte zu der Frage zu finden, auf die ich unbedingt von meiner Frau eine Antwort haben wollte. Ich öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Wie sollte ich es nur ausdrücken? Wie es am taktvollsten formulieren? Sollte ich mit einer Bitte um Verzeihung beginnen? Sollte ich zur Einleitung sagen, daß mir klar sei, wie beleidigend so eine Frage sein könnte, daß ich aber nun schon so lange auf eine Antwort gewartet hätte? Ich hatte ja wirklich Geduld gezeigt. Und das war doch eine Antwort, auf die ein Ehemann ein Recht hatte?
    Wieder öffnete ich den Mund. Kann sein, daß ich mich vorbeugte. Vielleicht beugte sich auch Etna vor. Ein langes Schweigen schien sich zwischen uns zu drängen.
    »Ich wünschte, ich könnte unsere

Weitere Kostenlose Bücher