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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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»Wasser?« fragte er.
    »Nein, danke.«
    »Offenbar«, fuhr Ferald fort, nachdem er seinen Durst gestillt hatte, »hielt Fitch diese Sache keineswegs für belanglos. Jedenfalls nicht, wenn wir seinen Aufzeichnungen glauben.«
    »Pardon?«
    »Um genau zu sein«, sagte Ferald, »die Bemerkung hier, in Fitchs Handschrift – und an ihrer Echtheit gibt es, fürchte ich, keinen Zweifel –, lautet …« Ferald räusperte sich. »›VT bestreitet den Vorwurf des Plagiats, seine Monographie über Scott betreffend, an der verblüffende Ähnlichkeiten zu einer Arbeit von Alan Dudly Severance vom Amherst College auffallen. Ich habe es bei einer strengen Warnung bewenden lassen, da VT ein wertvoller, wenn auch nicht gerade brillanter Rhetoriklehrer ist und ich bezweifle, daß wir so schnell einen Ersatz für den Rest des Semesters auftreiben würden. Aber VTs wissenschaftliche Arbeit wird natürlich in Zukunft mit äußerster Sorgfalt geprüft werden. Vielleicht wäre eine förmliche Überprüfung angebracht?‹«
    »Ich – eine derartige Überprüfung hat nie stattgefunden«, erklärte ich, während mir noch die Worte nicht gerade brillant in den Ohren dröhnten.
    »Nein. Ganz recht«, sagte Ferald und trank wieder einen Schluck Wasser. »In diesem Dokument sind, ebenfalls in Fitchs Handschrift, einige Passagen aus Ihrem Buch aufgeführt. Sie stimmen beinahe wörtlich mit Passagen aus Severances Monographie überein, die mehrere Jahre vor Ihrer Arbeit veröffentlicht wurde und die ich, nebenbei bemerkt, gelesen habe.« Ferald sah mich an und lächelte. »Möchten Sie sich die Zitate ansehen?«
    »Nein«, sagte ich. »Das möchte ich nicht. Ich habe den Vorwurf damals mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen, und das tue ich auch jetzt.«
    »Natürlich, natürlich.«
    »Das sind doch alte Geschichten«, sagte ich. »Völlig bedeutungslos.«
    Ferald lehnte sich zurück. Er faltete die Hände und hob sie unters Kinn. »Da muß ich Ihnen leider widersprechen, Van Tassel.« Ich vermerkte, daß seine Hemdbrust wie stets so weiß war, als wäre sie neu. Ließ er sich seine Hemden dutzendweise schneidern und trug dann jedes nur einmal? »Nur dieser ›alten Geschichten‹ wegen habe ich Sie heute zu mir gebeten. Der Mann, den wir auf den Posten des Collegevorstands berufen, muß über jeden Vorwurf erhaben sein«, sagte Ferald. »Keine Flecken auf der weißen Weste.«
    »Es gibt keine Flecken.«
    »Aber doch – hm, sagen wir, eine kleine Verfärbung.«
    »Ich …«
    »Und wenn ich das an dieser Stelle sagen darf, Van Tassel – ich habe den Eindruck, daß Fitch die Angelegenheit aus praktischen Erwägungen auf sich beruhen ließ und nicht, weil er den Vorwurf für ungerechtfertigt hielt.«
    »Aus praktischen Erwägungen?« fragte ich. »Das ist eine unglaubliche Fehlinterpretation der ganzen Geschichte.«
    »Ich denke, ich verstehe mich recht gut aufs Interpretieren«, entgegnete Ferald.
    »Sie haben Ihre Stunden geschwänzt«, platzte ich unbesonnen heraus.
    Ferald lächelte. »Das stimmt«, sagte er. »Und ich bin streng dafür bestraft worden, wie ich mich erinnere. Mit einem Ungenügend. Das mich zwang, das zweite Semester meines dritten Jahrs zu wiederholen.«
    »Jeder Student muß die Folgen seiner Fehler tragen«, sagte ich.
    »Und ebenso jeder Professor«, versetzte Ferald, die Akte schließend. »Wenn Sie Ihre Kandidatur nicht zurückziehen, Van Tassel, mache ich dem Verwaltungsrat von dieser Sache Mitteilung.«
    »Sie können doch nicht …«
    »Aber wenn Sie zurückziehen, wird kein Mensch etwas erfahren, und Sie können am College bleiben.«
    Ich riß die Augen auf. Am College bleiben? »Was soll das heißen?« fragte ich.
    »Das soll heißen, daß Sie dann Ihre Stellung behalten.« Er rieb sich eine steile Falte auf der Stirn. »Es heißt allerdings nicht, daß wir nicht vielleicht später Ihre Eignung als Leiter Ihrer Abteilung überprüfen werden.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich brauchte Zeit zum Denken. Ich knöpfte mein Jackett auf. »Das ist unerhört!« sagte ich.
    Ferald zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, es sei kaum von Bedeutung.
    »Und das alles, weil ich Sie einmal habe durchfallen lassen?« fragte ich.
    Ferald stand auf. »Ich werde Ihren Rücktritt von der Kandidatur bei der Sitzung am 4. Dezember bekanntgeben.« Er klemmte sich die alte Akte unter den Arm und sah mich eine Weile an.
    Ich wäre mit ihm aufgestanden, aber ich konnte nicht. Mir zitterten die Arme vom Schock, und mein Mund

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